Pro- und Präbiotika: Was ist der Unterschied?
Sowohl Probiotika als auch Präbiotika haben im Grunde das gleiche Ziel: Das Gleichgewicht der Darmmikrobiota zu unterstützen und damit das allgemeine Wohlbefinden zu fördern.
Präbiotika
Präbiotika sind Substrate, die selektiv von Wirtsorganismen genutzt werden und einen gesundheitlichen Nutzen bringen. Zu den Präbiotika zählen insbesondere Ballaststoffe, die unverdaut in den Dickdarm gelangen, dort von Mikroorganismen verstoffwechselt werden und damit deren Wachstum und Aktivität fördern können.1
Präbiotika dienen den förderlichen Bakterien im Darm als Nahrungsgrundlage und begünstigen ihr Wachstum.
Der Effekt von Präbiotika fiel Forschern erstmals in den 1950er-Jahren auf: Damals konnten die Wissenschaftler/-innen nachweisen, dass Muttermilch bei Säuglingen zur Anreicherung von Bifidobakterien im Darm führt.2
Ein paar Jahrzehnte später fand man die Erklärung: Die in Muttermilch enthaltenen Oligosaccharide führten zu diesem positiven Effekt auf die Darmmikrobiota der Säuglinge.3 1995 schließlich identifizierten Marcel Roberfroid und Glenn Gibson Präbiotika als funktionelle Lebensmittelkomponente und gaben ihnen ihren Namen.4
Bei Präbiotika handelt es sich im Wesentlichen um unverdauliche Kohlenhydrate, also Ballaststoffe, die – in ausreichender Menge verzehrt – zu einer gesunden Darmmikrobiota beitragen können.
Zu den Präbiotika zählen Pektine, Inulin, Fructo- oder Galactooligosaccharide. Da der menschliche Körper diese Mehrfachzucker nicht abbauen kann, gelangen sie unverdaut in den Darm und unterstützen dort die Darmmikrobiota. Sie kommen natürlich in zahlreichen Gemüsen, Früchten und Getreidearten wie Zwiebeln, Banane, Topinambur, Schwarzwurzeln, Leinsamen, Flohsamen, Gerste und Weizen vor.
Probiotika
Die International Scientific Association for Probiotics and Prebiotics (ISAPP) ergänzt weiterhin, dass der Begriff „Probiotika“ auf Mikroorganismen beschränkt werden sollte, die ordnungsgemäß definiert wurden und nachweislich einen gesundheitlichen Nutzen haben. Oft werden fälschlicherweise sehr generisch alle fermentierten Lebensmittel als probiotisch bezeichnet.
Probiotika im Allgemeinen können sich auf verschiedene Weise positiv auswirken, wie z. B. durch die Förderung der Verdauung und Nährstoffaufnahme, die Produktion von Vitaminen oder indem sie schädliche Mikroorganismen in Schach halten und das Immunsystem stärken.6
Bakterien, die als Probiotika eingestuft sind, werden nach Gattung, Art und Stamm bezeichnet:
zum Beispiel Lactobacillus acidophilus ABC. Die Bezeichnung des Stammes ist wichtig, da verschiedene Stämme der gleichen Art unterschiedliche gesundheitliche Auswirkungen haben können. Auch die Dosis der eingenommenen probiotischen Mikroorganismen ist von Bedeutung.7
Eine besondere Rolle als Probiotika spielen die Laktobazillen und Bifidobakterien.
Laktobazillen
Die Lactobacillus-Gattung gehört zur Gruppe der sogenannten Milchsäurebakterien. Milchsäurebakterien kommen in Pflanzen, der Darmschleimhaut von Säugetieren und auch in fermentierten Lebensmitteln vor und besitzen teils probiotische Eigenschaften, weshalb sie häufig in funktionellen Lebensmitteln eingesetzt werden.8
Die Milchsäure wurde 1780 von Karl Wilhelm Scheele, einem schwedischen Chemiker, aus Sauermilch isoliert und trägt daher ihren Namen.9 Das Wort Lactobacillus wiederum ist von den lateinischen Begriffen „lac“ (übersetzt Milch) sowie „bacillum“ (übersetzt Stäbchen, da es sich um stäbchenförmige Bakterien handelt) abgeleitet.
Bifidobakterien
Bifidobakterien gehören zum Stamm der Actinobacteria; ihre Bezeichnung ist auf das lateinische bifidus (übersetzt: gespalten, gabelförmig) zurückzuführen. Diese Bakterien können Pathogene durch die Produktion von kurzkettigen Fettsäuren hemmen.10 Außerdem kommt ihnen eine essenzielle Bedeutung zu, da sie lebensnotwendige Vitamine wie Folsäure produzieren.11 Ganz besonders wichtig sind Bifidobakterien für die frühkindliche Entwicklung des Immunsystems. Bei gestillten Säuglingen dominieren Bifidobakterien natürlicherweise die Darmmikrobiota.12
Rezeptideen
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NEXT LEVEL
Nach Probiotika kommen Postbiotika, Psychobiotika und Synbiotika
Das Konzept der probiotischen Therapie hat eine lange Tradition und einen hohen Stellenwert. Dank der großen Aufmerksamkeit, die der Darm in den vergangenen Jahren von Forschenden erhalten hat, konnten zahlreiche Studien zeigen, wie bedeutsam das Darmmikrobiom auch für die Funktion des Immunsystems, der Leber oder des Gehirns ist. Eine umfassende Übersicht über die diskutierten Wirkmechanismen findet sich in diesem ARTIKEL. Aktuell konzentriert sich die Mikrobiomforschung daher darauf, die komplexen Zusammenhänge weiter zu erforschen, um zu prüfen, inwieweit sich eine Beeinflussung des Mikrobioms auf die Gesundheit und Therapie auswirken kann. Ein Hauptaugenmerk der Wissenschaft liegt hier auf den Wirkmechanismen von Postbiotika, Synbiotika und Psychobiotika.
Obwohl es sich bei Postbiotika, im Gegensatz zu Pro- und Präbiotika, weder um lebende Mikroorganismen noch um nährende Substrate handelt, scheinen Postbiotika einen gesundheitsfördernden Effekt zu haben. Mehr Informationen rund um Postbiotika liefert dieser spannende ARTIKEL.
Psychobiotika werden gemeinhin definiert als lebende Organismen, die einen gesundheitlichen Nutzen bei Patienten/Patientinnen mit psychiatrischen Erkrankungen zeigen können, wenn sie in angemessenen Mengen eingenommen werden.16 Sarkar et al. (2016) erweitern diese Definition auch um Präbiotika, die das Wachstum von nützlichen Darmbakterien fördern.17
Es ist bereits ausreichend dokumentiert, dass Menschen, die unter Entzündungen im Magen-Darm-Trakt beziehungsweise unter einem Reizdarmsyndrom leiden, häufig die Anzeichen einer depressiven Verstimmung zeigen.18,19 Gesteuert wird dies über die sogenannte Darm-Hirn-Achse.20 Über Nerven, Hormone sowie das gastrointestinale Immunsystem übt der Verdauungstrakt Einfluss auf das Gehirn und damit auch auf entstehende Emotionen aus. Doch auch in umgekehrte Richtung funktioniert die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn, sodass die Aussage „Das schlägt mir auf den Bauch“ nicht nur eine Redewendung ist. Diese wechselseitige BEZIEHUNG gibt einen Hinweis darauf, dass die Psyche einen entscheidenden Einfluss auf unser vegetatives Nervensystem nimmt, sowie auch umgekehrt. Forscher/-innen vermuten, dass sogenannte Psychobiotika die Synthese bzw. den Wirkungsgrad von Neurotransmittern wie Serotonin, Dopamin und Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) verbessern und damit über die Darm-Hirn-Achse auch positiv auf die Stimmung wirken können.21 Spannende Studiendaten zum Thema finden Sie hier.
1 Gibson, G. R. et al. (2017): The International Scientific Association for Probiotics and Prebiotics (ISAPP) consensus statement on the definition and scope of prebiotics. In: Nature Reviews Gastroenterology & Hepatology 14, S. 491 – 502.
2 György, P. et al. (1954): Bifidus factor. I. A variant of Lactobacillus bifidus requiring a special growth factor. In: Archives of Biochemistry and Biophysics. Vol. 48 (1), S. 193 – 201.
Unter: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/0003986154903239 (aufgerufen am 6.12.2022).
3 Petschacher, B. (2018): Humane Milch-Oligosaccharide in aller (Babys) Munde. In: Hebamme, 31 (06), S. 409 – 414.
Unter: https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/html/10.1055/a-0792-0676#Artikel%20lesen (aufgerufen am: 17.01.2023).
4 Davani-Davari, D. et al. (2019): Prebiotics: Definition, Types, Sources, Mechanisms, and Clinical Applications. In: Foods 8 (3).
Unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6463098/ (aufgerufen am 23.11.2022).
5 Hill, C. et al. (2014): The International Scientific Association for Probiotics and Prebiotics consensus statement on the scope and appropriate use of the term probiotic. In: Nat Rev Gastroenterol Hepatol 11, S. 506 – 514. Unter: https://www.nature.com/articles/nrgastro.2014.66 (aufgerufen am 17.01.2023).
6 https://isappscience.org/for-consumers/learn/probiotics/ (aufgerufen am 23.12.2022
7 https://isappscience.org/for-scientists/resources/probiotics/ (aufgerufen am 23.12.2022)
8 Teneva-Angelova, T. et al. (2018): Chapter 4 – Lactic Acid Bacteria – From Nature Through Food to Health. In: Advances in Biotechnology for Food Industry – Handbook of Food Bioengineering. Unter: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/B9780128114438000049 (aufgerufen am 23.12.2022).
9 Kompanje, E. J. O. et al. (2007): The first demonstration of lactic acid in human blood in shock by Johann Joseph Scherer (1814 – 1869) in January 1843. In: Intensive Care Med. 33 (11), S. 1967 – 1971. Unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2040486/ (aufgerufen am 23.12.2022).
10 Hidalgo-Cantabrana C. et al. (2017): Bifidobacteria and Their Health-Promoting Effects. In: Microbiol Spectr. 5 (3). Unter: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28643627/ (aufgerufen am 23.12.2022).
11 Hahne, D. (2017): Mikrobiom und intestinale Gesundheit. In: Dtsch Ärztebl, 114 (5).
Unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/186107/Mikrobiom-und-intestinale-Gesundheit-Eine-hohe-Diversitaet-von-Darmbakterien-ist-guenstig (aufgerufen am 23.12.2022).
12 Lewis, Z. T. et al. (2015): Maternal fucosyltransferase 2 status affects the gut bifidobacterial communities of breastfed infants. In: Microbiome 3 (13).
Unter: https://microbiomejournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/s40168-015-0071-z (aufgerufen am 23.12.2022).
13 Tsilingiri, K., Rescigno, M. (2013): Postbiotics: What else? In: Benef. Microbes, 4 (1), S. 101 – 107. Unter: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23271068/ (aufgerufen am 11.01.2023).
14 Salminen, S. et al. (2021): The International Scientific Association of Probiotics and Prebiotics (ISAPP) consensus statement on the definition and scope of postbiotics. In: Nat Rev Gastroenterol Hepatol, 18, S. 649 – 667. Unter: https://www.nature.com/articles/s41575-021-00440-6 (aufgerufen am 10.01.2023).
15 Swanson, K. S. et al. (2020): The International Scientific Association for Probiotics and Prebiotics (ISAPP) consensus statement on the definition and scope of synbiotics. In: Nat Rev Gastroenterol Hepatol 17, S. 687 – 701. Unter: https://www.nature.com/articles/s41575-020-0344-2 (aufgerufen am 19.01.2023).
16 Del Toro-Barbosa, M. et al. (2020): Psychobiotics: Mechanisms of Action, Evaluation Methods and Effectiveness in Applications with Food Products. In: Nutrients, Dec, 12 (12), S. 3896.
Unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7767237/ (aufgerufen am 25.01.2023).
17 Sarkar A. et al. (2016): Psychobiotics and the Manipulation of Bacteria-Gut-Brain Signals. In: Trends in Neurosciences, 39.
Unter: https://www.researchgate.net/publication/309450465_Psychobiotics_and_the_Manipulation_of_Bacteria-Gut-Brain_Signals (aufgerufen am 25.11.2022).
18 Dinan, T. G. et al. (2013): Psychobiotics: A Novel Class of Psychotropic. In: Biological psychiatry, 74. S. 720 – 726.
19 Cryan J. F., Dinan, T. G. (2012): Mind-altering microorganisms: the impact of the gut microbiota on brain and behaviour. In: Nature Reviews Neuroscience, 13, S. 701 – 712.
Unter: https://www.nature.com/articles/nrn3346 (aufgerufen am 11.01.2023).
20 Cryan, J. F., O‘Mahony, S. M. (2011): The microbiome-gut-brain-axis: from bowel to behaviour. In: Neurogastroenterology and Motility.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1365-2982.2010.01664.x (aufgerufen am 11.01.2023).
21 Nadeem, I. et al. (2019): Effect of probiotic interventions on depressive symptoms: A narrative review evaluating systematic reviews. In: Psychiatry Clin. Neurosci., 73.
Unter: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/pcn.12804 (aufgerufen am 19.01.2023).