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Starker Darm, starke Leistung: Praxis-Insights von Maja Morell für Ernährungsfachkräfte

Das Darmmikrobiom ist im Sport längst mehr als ein „Nice-to-have“. Es beeinflusst Gastrointestinale (GI)-Toleranz, Immunfunktion und Energieverfügbarkeit und damit Training, Regeneration und Wettkampfleistung. Maja Morell, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU München und Ernährungsberaterin am Olympiastützpunkt Bayern, zeigte in ihrem Vortrag beim VFED-Kongress 2025 „Das Mikrobiom im (Spitzen-)Sport: Einfluss auf Gesundheit und Performance“, wie sich die Schnittstelle von Sporternährung und Mikrobiomforschung praxisnah nutzen lässt: von sportartspezifischen Belastungen über strukturiertes Assessment und Monitoring bis hin zu Female Athlete Gut und Verhaltensänderung im Teamalltag. Im Interview gibt sie konkrete, evidenzbasierte Impulse für die Arbeit von Ernährungsfachkräften.

 In zwei Sätzen: Warum ist das Darmmikrobiom ein Performance-Thema und nicht nur ein „Wellbeing-Nice-to-have“?

Das Darmmikrobiom bildet die Grundlage für eine effiziente Nährstoffaufnahme und ist damit die Voraussetzung für körperliche und mentale Höchstleistungen. Die Athletinnen/Athleten sind dann am leistungsfähigsten, wenn sie die Trainingseinheiten in ihrer Regelmäßigkeit absolvieren können, was ein starkes Immunsystem und gute Erholungsfähigkeit voraussetzt – unweigerlich verbunden mit einem starken Darmmikrobiom.

Welche sportartspezifischen Stressoren setzen den Gastrointestinaltrakt unter Druck und mit welchen Symptomen sehen Sie diese in der Praxis zuerst?

Dazu zählen beispielsweise Trainingsphasen mit einem besonders hohen Belastungsvolumen, welches lang anhaltende Trainingseinheiten beinhaltet. Die Athletinnen&Athleten äußern mir gegenüber häufig Bauchschmerzen, ein Gefühl von Aufgeblähtheit oder auch Übelkeit. Aber auch häufiges, akutes Gewichtmachen kann den Magen-Darm-Trakt stressen und macht sich gern an wiederholten Infektionsperioden bemerkbar.

Wie strukturieren Sie Ihre Erstanamnese? Welche Kombination aus Ernährungs-/Trainingsprotokoll, Stuhlfrequenz und Tools wie Bristol-Stuhlskala oder Transit-Tests nutzen Sie routinemäßig?

Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Erstanamnesegespräch ist meiner Erfahrung nach eine gewisse Natürlichkeit, sodass sich zwischen den Athletinnen/Athleten und mir ein Vertrauensverhältnis bilden kann. Daher ist jedes Gespräch auf seine Weise einzigartig.

Dennoch benötige ich bei der ersten Kontaktaufnahme mindestens den aktuellen Trainingsplan mit den entsprechenden Trainingsdaten sowie ein aktuelles Blutbild.

Die Analyse des Stuhlverhaltens nutze ich in jeder Zusammenarbeit, jedoch zu unterschiedlichem Zeitpunkt.

Welche Rolle spielt die Flüssigkeitszufuhr für die Leistungsfähigkeit und für das Darmmikrobiom? Warum ist vor allem bei (Leistungs-) Sportlerinnen/Spotlern das Thema Hydration so wichtig?

Die Flüssigkeitszufuhr spielt selbstverständlich eine große Rolle, denn sie beeinflusst beispielsweise die kognitiven Fähigkeiten, die Funktionsweise der Thermoregulation, aber natürlich auch Ausscheidungsvorgänge, an denen das Darmmikrobiom wesentlich beteiligt ist.

Verbunden mit der erhöhten Trainingsbelastung sind zum Teil sehr hohe Schweißraten, die vor allem in Disziplinen wie Eishockey, in denen die Athletinnen/Athleten relativ stark bekleidet sind, beobachtet werden können. Das Zuführen der richtigen Getränke ist für diese Sportlerinnen/Sportler besonders wichtig.

Was sind Ihre Top-3 „Low-risk, high-impact“ Anpassungen bei Athletinnen/Athleten mit GI-Beschwerden rund um Training und Wettkampf?

  • Die zeitnahe Zufuhr eines adäquaten Regenerations-Snacks nach der Trainingseinheit.
  • Das Training der Kohlenhydratzufuhr während körperlicher Belastung.
  • Die Anpassung der Ballaststoffzufuhr an dem / den Tagen vor dem Wettkampf.

Selbstverständlich sollten diese Anpassungen in Absprache mit Sporternährungsexpertinnen/-experten umgesetzt werden und gelten nicht pauschal für alle Sportlerinnen/Sportler.

 

Sehen Sie geschlechtsspezifische Besonderheiten in der Darm-Leistungs-Schnittmenge? Welche Anpassungen bewähren sich?
(Besonderheiten: Zyklus, Hormone, Eisenstatus, IBS/Endometriose)

Ja, ich beobachte, dass sich die Stuhlhäufigkeit und die Stuhlkonsistenz über den Menstruationszyklus hormonbedingt verändern. Insbesondere in der Lutealphase kommt es häufiger zu Konstipation, während der Stuhlgang zum Zeitpunkt der Blutung dann wieder häufiger eintritt und eine weichere Konsistenz aufweist. Diese Veränderung hängt vorwiegend mit dem Anstieg bzw. dem Abfall der Progesteronkonzentration zusammen, welches Einfluss auf die Darmmotilität nimmt.

Viele Athletinnen/Athleten scheitern nicht am Wissen, sondern an der Umsetzung. Wie etablieren Sie Routinen trotz Reise, Zeitdruck und Teamstrukturen?

Meiner Ansicht nach erfolgt die Umsetzung vor allem dann, wenn das Resultat mit einer gewünschten Emotion verbunden ist. Das heißt, ich versuche über das Erproben der gewünschten Verhaltensänderung eine solche Emotion zu erwirken, welche die Athletinnen/Athleten dazu bringt, notwendige Handlungsschritte in Gang zu bringen, die die Verhaltensänderung auch unter erschwerten Bedingungen, beispielsweise unterwegs, ermöglichen.

Das Austesten eines neuen Frühstück-Rezepts hat bei einer meiner Athletinnen dafür gesorgt, dass sie nun immer vor dem Training etwas isst, dadurch deutlich mehr Power hat und weniger Heißhunger gegen Ende des Tages verspürt. Vorher hatte sie das Frühstücken aus dem Grund ausgelassen, weil sie einer zu hohen Kilokalorienzufuhr entgegenwirken wollte – was gegen Ende des Tages allerdings nicht funktioniert hatte. Mit der neuen Herangehensweise, die sie auch auf Lehrgängen und Wettkämpfen umsetzen kann, fühlt sie sich nun deutlich stärker, zufriedener und ausgeglichener.

„Lernt, den eigenen Körper zu pflegen – unter anderem über eine passende Energie- und Nährstoffzufuhr, die sich adäquat über den Tag verteilt, denn dies stellt einen großen Baustein für langfristigen Erfolg dar.“

Über Maja Morell (Kurzprofil)

Für Maja Morell bedeutet Ernährung in ihrer Tätigkeit als Sporternährungswissenschaftlerin weit mehr als reine Energiezufuhr – sie ist zugleich Steuerungsinstrument, Leistungsfaktor und Ausdruck von Lebensqualität. Besonders fasziniert sie an der Sporternährung die Präzision: perfekt aufeinander abgestimmte Nährstoffkomponenten, die zur richtigen Zeit aufgenommen und optimal zubereitet werden, um Körper und Geist zu nähren.

 

Maja Morell (MSc, Liverpool John Moores University) betreut derzeit Spitzensportlerinnen/-sportler auf internationalem Wettkampfniveau. Ihre Neugier für physiologische Zusammenhänge und ihre Leidenschaft für die Arbeit mit Menschen verbindet sie in ihrer beruflichen Berufung auf ideale Weise.