Der russische Wissenschaftler Ilja Metschnikoff bemerkte die Langlebigkeit einiger bulgarischer Einheimischer, die täglich ein Joghurtprodukt zu sich nahmen. Seine wissenschaftliche Neugierde war die Grundlage für die Entdeckung der gesundheitsfördernden Wirkung der Bakterienkulturen in Milchprodukten – ein Meilenstein in der Geschichte der Probiotika. Daher gilt der russische Nobelpreisträger als der Stammvater des probiotischen Konzepts. Die Grundlage für seine Theorie basierte auf Louis Pasteurs Entdeckung der Milchsäurebakterien im Jahr 1857. (2)
Probiotika – wer hat’s entdeckt?
Das Wissen um die Welt der Mikroorganismen sowie ihrer Bedeutung für Krankheit und Gesundheit haben sich im Laufe der Zeit sehr verändert. Dass Mikroorganismen nicht nur Krankheiten verursachen, sondern durchaus einen gesundheitlichen Nutzen haben können, wurde erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts öffentlich von dem Begründer des „probiotischen Konzeptes“, Ilja Iljitsch Metschnikoff, formuliert. Grundlage für seine Theorie bildete die Entdeckung der Milchsäurebakterien im Jahr 1857 durch Louis Pasteur. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wurden immer mehr probiotische Stämme identifiziert, die eine potenziell vorteilhafte Wirkung auf die intestinale Mikrobiota und die Gesundheit der Menschen haben. Vor allem die Erforschung ihres präventiven bzw. therapeutischen Potenzials dauert bis heute an.
Die Geschichte der Probiotika
Probiotika sind „lebende Mikroorganismen, die nach Aufnahme in angemessener Keimzahl eine gesundheitsförderliche Wirkung auf den Menschen haben“. (1) So lautet die bis heute geltende Definition für Probiotika, die im Jahr 2001 von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation und der Weltgesundheitsorganisation (FAO und WHO) eingeführt wurde.
Ihre Entdeckung und Erforschung reichen jedoch wesentlich weiter zurück. Bereits vor Jahrtausenden begann die Menschheit, erste fermentierte Lebensmittel wie Kimchi, Kefir, Joghurt und Co. zu verzehren, ohne zu wissen, dass fermentative Bakterien für die Säuerung und Konservierung der Lebensmittel verantwortlich waren. Obwohl Joghurt im Laufe seiner Geschichte stark mit Gesundheit und dem allgemeinen Wohlbefinden assoziiert wurde, diskutierte man erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts (1907/1908) den prophylaktischen Einsatz von Laktobazillen öffentlich.
In den folgenden Jahrzehnten wurden immer mehr probiotische Bakterienstämme entdeckt und erforscht. So untersuchte beispielsweise der deutsche Arzt und Wissenschaftler Alfred Nissle während des 1. Weltkriegs bei einem Soldaten den apathogenen Escherichia coli-Stamm hinsichtlich dessen pathogenhemmender Wirkung gegenüber Shigellose-Erregern. Zwar hatte Nissle bereits 1917 den nach ihm benannten Stamm zur Behandlung schwerer Darminfektionen angemeldet. (3) In der Praxis waren allerdings neue antibiotische Wirkstoffe den wenigen probiotischen Darreichungsformen weit überlegen, sodass diese mit der Einführung des Penicillins im Jahr 1928 noch weiter in Vergessenheit gerieten.
Etwa zur gleichen Zeit studierte in Japan der junge Minoru Shirota die Werke von Louis Pasteur und Ilja Metschnikoff und konzentrierte seine Forschung auf Milchsäurebakterien, die das Potenzial zeigten, die Gesundheit beeinflussen zu können. 1930 gelang es ihm erstmals, ein Milchsäurebakterium zu selektieren und kultivieren, das gegenüber Magen- und Gallensäuren resistent war. Sein damaliger Professor gab dem Bakterium den Namen L. casei Shirota. Es dauerte weitere fünf Jahre, bis es Dr. Shirota gelang, ein gut schmeckendes, preisgünstiges Getränk auf der Basis von Kuhmilch zu entwickeln, um diese Bakterien möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen.
Für den Namen orientierte er sich am dem Wort für Joghurt in Esperanto – einer Sprache, die weltweit gesprochen werden sollte. So wurde aus „jahurto“ Yakult, welches als erstes kommerzielles Milchprodukt mit Milchsäurebakterien 1935 – zunächst in Japan – in den Markt eingeführt wurde.
In den 1960er-Jahren, als sich die Grenzen der Antibiotika-Behandlungen durch vermehrt auftretende Antibiotikaresistenzen offenbarten, nahm die Wissenschaft den probiotischen Gedanken wieder auf. Der Name „Probiotika“, der auf einem Vorschlag des Hygienikers und Ernährungswissenschaftlers Werner Kollath (1953) beruht, etablierte sich. (4) Seitdem – und vermehrt mit Beginn des 21. Jahrhunderts – rückten Probiotika ins Zentrum des wissenschaftlichen Interesses, und die Anzahl der Studien stieg rasant. (5) Als weitere Meilensteine der Probiotikaforschung gelten die Isolierung des Lactobacillus rhamnosus GG-Stammes aus dem Darm eines gesunden Menschen durch Gorbach und Goldin im Jahr 1983 (6) sowie die Beschreibung der Darm-Hirn-Achse durch Dinan und Cryan 2013 (7).
Die Erkenntnisse und Studienergebnisse der letzten Jahrzehnte verdeutlichen, dass die intestinale Mikrobiota sowohl auf die Entstehung von Erkrankungen als auch auf deren Verlauf und das Therapieansprechen Einfluss hat. Probiotika bieten vielversprechende Ansatzpunkte in der Prävention und Therapie vieler Erkrankungen.
Einen positiven Effekt haben Probiotika beispielsweise durch die Unterstützung der Verdauung und Nährstoffaufnahme, die Produktion von Vitaminen oder indem sie pathogene Mikroorganismen in Schach halten und das Immunsystem stärken. (8)
Probiotika werden nach Gattung, Art und Stamm unterschieden – zum Beispiel: Lactobacillus acidophilus ABC. Die Bezeichnung des Stammes ist wichtig, da verschiedene Stämme der gleichen Art unterschiedliche gesundheitliche Auswirkungen haben können. Auch die Dosis der eingenommenen probiotischen Mikroorganismen ist von Bedeutung. (9) Eine besondere Rolle spielen Laktobazillen und Bifidobakterien.
Da oft fälschlicherweise sehr generisch alle fermentierten Lebensmittel als probiotisch bezeichnet werden, weist die International Scientific Association for Probiotics and Prebiotics (ISAPP) darauf hin, dass der Begriff „Probiotika“ auf Mikroorganismen beschränkt werden sollte, die ordnungsgemäß definiert wurden und nachweislich einen gesundheitlichen Nutzen haben. (9)
Nicht alle fermentierten Lebensmittel sind Probiotika
Die wichtigsten Unterscheidungskriterien finden Sie hier:
- Art der Mikroorganismen: Um laut ISAPP als Probiotikum zu gelten, muss ein fermentiertes Lebensmittel bestimmte Arten von Mikroorganismen enthalten, die einen nachweislichen Nutzen für die Gesundheit haben. Probiotika werden nach Gattung, Art und Stamm unterschieden. (9)
- Überlebensfähigkeit: Probiotika müssen in der Lage sein, den Magen unbeschadet zu passieren, um den Darm zu erreichen. Nicht alle fermentierten Lebensmittel enthalten lebende Mikroorganismen, die dazu in der Lage sind.
- Menge an Mikroorganismen: Um als Probiotikum zu gelten, muss ein Lebensmittel eine bestimmte Menge an probiotischen Mikroorganismen enthalten, die in Humanstudien den postulierten positiven Effekt zeigen.
- Wissenschaftliche Beweise: Um als Probiotikum anerkannt zu werden, müssen wissenschaftliche Beweise vorliegen, die die Gesundheitsvorteile dieser Mikroorganismen belegen. Dabei gibt es keine Belege für grundsätzliche Unterschiede zwischen probiotischen Lebensmitteln und probiotischen Nahrungsergänzungsmitteln. Beide Produktgruppen unterliegen den Bestimmungen des Lebensmittelrechts und dürfen lebensmittelrechtlich nicht als Probiotika bezeichnet werden. Eine gesundheitsbezogene Angabe, also ein Health Claim, ist an die Zulassung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (ESFA) gebunden. (10)
Quellen
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FAO/WHO (2011): Joint FAO/WHO Expert Consultation on Evaluation of Health and Nutritional Properties of Probiotics in Food including Powder Milk with Live Lactic Acid Bacteria. https://www.fao.org/3/a0512e/a0512e.pdf (aufgerufen am 28.01.2023)
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Khortus A., et al. (2020): Probiotics: Promise, Evidence, and Hope. Gastroenterology 159, 2020. DOI: 1053/j.gastro.2020.05.058.
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Sonnenborn U. (2016): Escherichia coli strain Nissle 1917 – from bench to bedside and back: history of a special Escherichia coli strain with probiotic properties. FEMS Microbiology Letters 363, fnw 212, 2016. DOI: 1093/femsle/fnw212
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Ogueke C. C., et al. (2010): Probiotics and Prebiotics: Unfolding Prospects for Better Human Health. Pakistan Journal of Nutrition 9, 2010: 833-843. DOI: 3923/pjn.2010.833.843
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Wiegers C., et al. (2022): Reviewing the state of the art of probiotics as clinical modalities for brain-gut-microbiota axis associated disorders. Frontiers in MIcrobiology, 2022. DOI: 10.3389/fmicb.2022.1053958
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Papizahdeh M., et al. (2016): Lactobacillus rhamnosus Grobach-Goldin (GG): A Top Well-Researched Probiotic Strain. J Med Bacteriol. 5, 2016
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Dinan, T. G., et al. (2013): Psychobiotics: a novel class of psychotropic. Biological Psychiatry 74, 2013. DOI: 1016/j.biopsych.2013.05.001
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https://isappscience.org/for-consumers/learn/probiotics/ (aufgerufen am 28.02.2023)
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https://isappscience.org/for-scientists/resources/probiotics/ (aufgerufen am 28.02.2023)
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https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/ALL/?uri=CELEX:32006R1924 (aufgerufen am 14.03.2023)