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Mehr Gemeinsamkeiten als gedacht: Knochengesundheit, Menopause und Mikrobiom

Dr. med. Ulrich Deuß, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Osteologe DVO ist der Experte, wenn es um den Knochenstoffwechsel geht. Bei dem gemeinsamen Online-Vortrag von Yakult und der Weiterbildungsplattform Medcram* am 26.06.2024 mit dem Titel „Mehr Gemeinsamkeiten als gedacht: Knochengesundheit, Menopause und Mikrobiom“, erklärte er spannende Zusammenhänge im Bereich der Frauengesundheit. In diesem Blogbeitrag fassen wir die wichtigsten Inhalte für Sie zusammen und gehen der Frage nach, inwiefern ein gesunder Darm mit der Knochengesundheit zusammenhängt und ob Frauen in den Wechseljahren diesbezüglich von Probiotika profitieren können.

Mikrobiom und Wechseljahre

Der menschliche Darm wird von Milliarden Mikroorganismen besiedelt, die zusammen das Mikrobiom bilden. Mit über 160 unterschiedlichen Spezies pro Individuum ist es äußerst vielfältig. Interessanterweise gleicht kein Mikrobiom dem anderen – die Zusammensetzung ist von Mensch zu Mensch einzigartig und weist eine hohe individuelle Variabilität auf.

Die Zusammensetzung der Mikrobiota wird durch viele verschiedene Faktoren beeinflusst. Dazu zählen unter anderem Gene, Alter, Geschlecht, Umwelt, Stress, Ernährung, Medikamente und auch Hormone. [1] Hormonelle Veränderungen können vor allem für Frauen Auswirkungen auf (Knochen-) Gesundheit und Darmmikrobiom haben. Die Aufzeichnung des Online-Vortrags finden Sie hier:

Darm, Mikrobiota und Knochenstoffwechsel: ein komplexes Zusammenspiel

Noch weitläufig unbekannt ist, dass ein großer Teil des Immunsystems in unserem Darm sitzt. Die enterale Mikrobiota spielt dabei eine wichtige Rolle. Sie unterstützt unter anderem die Integrität der Darmbarriere, die eine gewisse Schutzfunktion gegenüber entzündungsstimulierenden Nahrungsbestandteilen, Schadstoffen oder Antigenen erfüllt, durch ihre Abbauprodukte. Denn Tryptophan, Arginin und Fasern unterstützen die Darmschleimhaut, indem sie die Schleimproduktion anregen. Dadurch können Antigene weniger gut ein- und vordringen, Immunreaktionen werden stimuliert und Entzündungsprozesse werden unterdrückt.[2] Weitere Abbauprodukte der Darmmikrobiota, wie kurzkettige Fettsäuren (SCFA) und möglicherweise andere noch zu identifizierende mikrobielle Metaboliten, haben wiederum Auswirkungen auf die Leber und das Fettgewebe. Das führt dazu, dass mehr vom insulinähnlichen Wachstumsfaktor 1 (IGF-1) produziert wird. Dieser wirkt auf Knochenzellen ein und beeinflusst lineares Wachstum, Knochenmasse und -mineralisierung.[3]

Auch Hormone spielen bei der Integrität der enteralen Barriere eine Rolle. Sie unterstützen die Aufrechterhaltung der Darmbarriere, indem sie die gap junctions, die engen Verbindungen der Darmzellen, erhalten.

Dynamik des weiblichen Knochenstoffwechsels

Während der Wechseljahre (Menopause) verlieren Frauen an Knochensubstanz. Dieser Prozess wird häufig auf den Wegfall des Östrogenschutzes am Knochen zurückgeführt, der eine gesteigerte Aktivität der knochenabbauenden Zellen (Osteoklasten) verursacht. Die Osteoporose, eine systemische Skeletterkrankung, die durch eine niedrige Knochenmasse und eine Verschlechterung der Mikroarchitektur des Knochengewebes charakterisiert ist, führt zu einer erhöhten Knochenbrüchigkeit und spielt in diesem Kontext eine zentrale Rolle. Sie gehört neben der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) und der koronaren Herzkrankheit zu den drei großen Volkskrankheiten und betrifft in Deutschland etwa 6,5 Millionen Menschen.

Weniger bekannt ist, dass der Rückgang der Östrogenwirkung in den Wechseljahren erhebliche Veränderungen der Darmbarriere nach sich zieht. Dabei kommt es zu einer Schwächung der gap junctions wodurch sie durchlässiger für schädliche Substanzen und Krankheitserreger werden. Dies führt zu einer Aktivierung des Immunsystems, das vermehrt Botenstoffe wie Zytokine produziert. Diese Zytokine steigern die Aktivität der Osteoklasten und hemmen gleichzeitig die Aktivität der knochenaufbauenden Zellen (Osteoblasten), was den Knochenabbau weiter fördert.

Ernährungsfaktoren und Osteoporose

Die Gesundheit unseres Mikrobioms ist eng mit unserer Ernährung verwoben. Was wir dem Körper zuführen, spielt daher sowohl in der Prävention als auch der Behandlung der Osteoporose eine wichtige Rolle.

Um die Knochengesundheit optimal und langfristig zu unterstützen empfiehlt Dr. med Deuß in seinem Vortrag eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung. Dabei steht die ausreichende Zufuhr bestimmter Nährstoffe im Fokus:

Eine tägliche Kalziumaufnahme von 1.000 mg sowie eine tägliche Vitamin-D-Zufuhr von mindestens 800 I.E., die durch Ernährung, Sonnenlicht oder Supplemente gedeckt werden kann. Besonders fermentierte Milchprodukte wie Joghurt oder Frischkäse sind ideale Bestandteile einer knochengesunden Ernährung. Das enthaltene Kalzium unterstützt die Knochenmineralisation, während Proteine helfen, die Muskelkraft zu stärken und das Sturzrisiko zu reduzieren. Zudem enthalten diese Produkte präbiotische Bestandteile und stellen für viele Menschen die Hauptquelle probiotischer Keime dar, die die Darmflora positiv beeinflussen. Eine gesunde Mikrobiota kann wiederum die Darmbarriere stärken, Entzündungen reduzieren und so indirekt die Knochengesundheit fördern.

Probiotika – ein Lösungsansatz wird erforscht

Tierversuche geben erste Hinweise darauf, dass die Einnahme von Probiotika. möglicherweise zur Vorbeugung und Behandlung von Osteoporose dienen kann sowie durch die Förderung einer gesunden Mikrobiota und die Stärkung der Darmbarriere positive Effekte auf die Knochengesundheit haben könnte. Studien zeigen, dass sie möglicherweise die Knochenmasse und -dichte verbessern und Entzündungen reduzieren können.[4,5,6] Hierzu besteht allerdings in Zukunft weiterer Forschungsbedarf.

Kurz-Vita Dr. med. Ulrich Deuß

Dr. med. Ulrich Deuß ist ein erfahrener Internist, Endokrinologe und Diabetologe mit einer Praxis in Köln. Er studierte von 1976 bis 1982 Humanmedizin an der Universität zu Köln und absolvierte daraufhin die Facharztweiterbildung für Innere Medizin mit Schwerpunkt Endokrinologie. Ein DFG-Stipendium führte ihn 1986–1988 an die Middlesex Hospital Medical School in London, wo er zu Schilddrüsenautoimmunerkrankungen und Diabetes mellitus forschte. Nach seinen Tätigkeiten als Oberarzt in Köln ließ er sich 1995 in einer endokrinologischen Schwerpunktpraxis nieder. Seither spezialisiert er sich auf die Behandlung von Hormonstörungen, Diabetes und osteologischen Erkrankungen. Als Osteologe DVO leitet er seit 2008 ein ambulantes osteologisches Schwerpunktzentrum und war von 2018 bis 2023 ärztlicher Leiter des MVZ Medicover Köln.

Neben seiner Tätigkeit als Arzt engagiert sich Dr. med. Ulrich Deuß auch in der Weiterbildung und ist Mitglied in verschiedenen medizinischen Fachgesellschaften, in denen er seine Expertise teilt. Seit 1996 engagiert er sich beispielsweise in den Regionalen Expertenkreisen Osteoporose (REKO), deren Vorsitzender er von 2016 bis 2021 war.

Quellen

[1] Sommer, F., Bäckhed, F. (2013): The gut microbiota — masters of host development and physiology. In: Nature Reviews Microbiology 11, S. 227–238. doi: https://doi.org/10.1038/nrmicro2974.

[2] D’Amelio P, Sassi F. (2018): Gut Microbiota, Immune System, and Bone. In: Calcified Tissue International 102(4), S. 415-425. doi: 10.1007/s00223-017-0331-y.

[3] Yan J, Charles JF (2017): Gut Microbiome and Bone: to Build, Destroy, or Both? In: Current Osteoporosis Reports 15(4), S.376-384. doi: 10.1007/s11914-017-0382-z.

[4] McCabe LR, Parameswaran N. (2018): Advances in Probiotic Regulation of Bone and Mineral Metabolism. In: Calcified Tissue International 102(4), S.480-488. doi: 10.1007/s00223-018-0403-7.

[5] Yu, J. et al. (2021): Probiotic supplements and bone health in postmenopausal women: a meta-analysis of randomised controlled trials. In: BMJ Open 11, e041393. doi:10.1136/bmjopen-2020-041393

[6] Andrews, R. et al. (2022): Evaluating the influence of probiotics on menopause-related health outcomes: a systematic review and meta-analysis. doi:10.31219/osf.io/a7hky