ProBiotica News

Die einzigartige Rolle des Mikrobioms für die Frauengesundheit

Interview mit
Jun.-Prof. Dr. Marie-Christine Simon

Im Rahmen eines gemeinsamen Webinars mit MedCram beleuchtete Jun.-Prof. Dr. Marie-Christine Simon ein spannendes und aktuelles Thema: „Alles eine Frage der Hormone: Menstruationszyklus, Darmmikrobiota und Diabetes – Neue Einblicke in die Zusammenhänge“. Im Interview beantwortet sie zentrale Fragen rund um die faszinierenden Zusammenhänge zwischen dem Menstruationszyklus, dem intestinalen Mikrobiom und Stoffwechselerkrankungen.

Frau Simon, Sie forschen im Bereich des Mikrobioms und spezialisieren sich auf die Zielgruppe der Frauen. Was fasziniert Sie an diesem Bereich und was ist bei dieser Zielgruppe besonders interessant?

„Die Forschung im Bereich des Mikrobioms speziell in Bezug auf die weibliche Gesundheit ist besonders faszinierend und vielversprechend, weil das Mikrobiom eine zentrale Rolle bei der Regulierung von Hormonen, der Fruchtbarkeit, der Schwangerschaft und der mentalen Gesundheit spielen kann. Die diversen Herausforderungen, die durch die verschiedenen Lebensphasen einer Frau entstehen, bieten spannende Möglichkeiten für maßgeschneiderte Präventions- und Behandlungsansätze. Zudem eröffnet das Verständnis der Darm-Hirn-Achse neue Wege, die Verbindung zwischen Darmgesundheit und psychischem Wohlbefinden zu verbessern.“

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen dem Zyklus der Frau, dem intestinalen Mikrobiom und Hormon- bzw. Stoffwechselstörungen? Was kann auf Grundlage der bisherigen Forschung gesagt werden?

„Der Zusammenhang zwischen dem Menstruationszyklus, dem intestinalen Mikrobiom und Hormon- bzw. Stoffwechselstörungen ist ein zunehmend erforschtes Gebiet, das das Potenzial hat, neue Einblicke in die Gesundheit von Frauen zu bieten. Bisherige Forschung zeigt, dass hormonelle Schwankungen während des weiblichen Zyklus das Mikrobiom beeinflussen können, und umgekehrt kann das Mikrobiom den Hormonstoffwechsel und die Wahrscheinlichkeit für Stoffwechselstörungen beeinflussen.“

Die wichtigsten Verbindungen, die aus der aktuellen Forschung hervorgehen:

  • Hormonelle Schwankungen während des Menstruationszyklus wirken sich auf die Zusammensetzung und Funktion des Mikrobioms aus.
  • Das Mikrobiom spielt eine entscheidende Rolle im Östrogenstoffwechsel. Dysbiosen können zu hormonellen Ungleichgewichten führen, die das Risiko für Stoffwechselstörungen wie PCOS und Endometriose erhöhen können.
  • Es gibt erste Hinweise darauf, dass das Mikrobiom eine Rolle bei Stimmungsschwankungen im Zyklus sowie bei Appetit- und Stoffwechselveränderungen spielen kann.
  • Orale Kontrazeptiva und andere hormonelle Therapien beeinflussen das Mikrobiom, was wiederum Auswirkungen auf die langfristige Hormon- und Stoffwechselgesundheit haben kann

Kann die Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms Auswirkungen auf den Verlauf der Wechseljahre und die Ausprägung der Wechseljahr-Symptomatik haben?

„Die Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms spielt eine wesentliche Rolle bei der Regulierung von Östrogen, Entzündungen, dem Stoffwechsel und der psychischen Gesundheit während der Wechseljahre. Eine Dysbiose oder ein Ungleichgewicht im Mikrobiom könnte die typischen Wechseljahrsymptome verschärfen, wie Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, Gewichtszunahme und Entzündungen. Andererseits könnte ein gesundes und ausgewogenes Mikrobiom dazu beitragen, den Verlauf der Wechseljahre zu erleichtern, die Symptome zu lindern und das Risiko für postmenopausale Erkrankungen wie Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren. Weitere Forschung wird benötigt, um die genauen Mechanismen zu verstehen und gezielte therapeutische Ansätze zu entwickeln, die das Mikrobiom während der Wechseljahre unterstützen können.“

Können ernährungstherapeutische bzw. -präventive Maßnahmen Effekte auf Erkrankungen wie PCOS, Metabolisches Syndrom und Stoffwechselstörungen (wie Diabetes) haben? Wenn ja, welche Empfehlungen geben Sie?

„Ernährungstherapeutische und -präventive Maßnahmen können einen bedeutenden Einfluss auf die Behandlung und Prävention von Erkrankungen wie PCOS, dem Metabolischen Syndrom und Stoffwechselstörungen wie Diabetes haben. Diese Erkrankungen haben oft gemeinsame Ursachen wie Insulinresistenz, chronische Entzündungen und hormonelles Ungleichgewicht. All diese Ursachen können wiederum durch die Ernährung beeinflusst werden. Eine Ernährung, die auf komplexe Kohlenhydrate bzw. Ballaststoffe, gesunde Fette, antientzündliche Lebensmittel und eine gesunde Darmflora abzielt, kann signifikante Verbesserungen in Bezug auf Blutzuckerkontrolle, Gewichtsmanagement, Hormonregulation und Entzündungsprozesse bewirken.“

Welche Rolle können dabei Probiotika spielen?

Probiotika können eine vielversprechende Rolle bei der Ernährungstherapie von PCOS, dem metabolischen Syndrom und Diabetes Typ 2 spielen, da sie die Darmflora ins Gleichgewicht bringen und positive Effekte auf Insulinresistenz, Entzündungen, den Stoffwechsel und die Hormonbalance haben können. Die Integration probiotischer Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel in die Ernährung könnte langfristig zur Verbesserung der Stoffwechselgesundheit beitragen und die Symptome dieser Erkrankungen lindern.

Zusammenfassende Vorteile von Probiotika:

  1. Regulation des Blutzuckerspiegels: Probiotika verbessern die Blutzuckerkontrolle, indem sie die Insulinsensitivität fördern und die Blutzuckerwerte stabilisieren können.
  2. Verringerung von Entzündungen: Probiotika können entzündungshemmend wirken, was sowohl bei PCOS als auch bei metabolischen Erkrankungen wichtig ist, da chronische Entzündungen eine Schlüsselrolle spielen.
  3. Gewichtsmanagement und Fettstoffwechsel: Probiotika können helfen, das Gewicht zu regulieren und die Fettverteilung im Körper zu verbessern, was vor allem bei Frauen mit PCOS und dem metabolischen Syndrom relevant ist.
  4. Hormonbalance: Durch ihre Wirkung auf den Darm können Probiotika den Hormonstoffwechsel beeinflussen, insbesondere den Östrogenmetabolismus, der für Frauen mit PCOS und während der Wechseljahre wichtig ist.

Jun.-Prof. Dr. Marie-Christine Simon

Marie-Christine Simon ist Juniorprofessorin für Ernährung und Mikrobiom am Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften der Universität Bonn und leitet die Nachwuchsgruppe im BMBF-geförderten Kompetenzcluster Diet Body Brain. Mit ihrer umfassenden Erfahrung in der Mikrobiomforschung, die sie bereits während ihrer Promotion am Deutschen Diabetes Zentrum in Düsseldorf begann, führt sie Forschungsarbeiten zu den Einflüssen von Probiotika auf Stoffwechsel und Immunstatus durch. Zudem bringt sie ihre Expertise aus der klinischen Forschung als zertifizierte Ernährungstherapeutin und Clinical Research Associate ein. Ihre wissenschaftliche Laufbahn führte sie in das renommierte Labor von Prof. Fredrik Bäckhed an der Universität Göteborg, wo sie ihre Kenntnisse zur Rolle des Mikrobioms in der menschlichen Physiologie und Pathophysiologie vertiefte.