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Der weibliche Zyklus und das Mikrobiom

Der weibliche Zyklus beeinflusst nicht nur Hormone und Stimmung, sondern auch das Darmmikrobiom. Ein Aspekt, der in der ernährungswissenschaftlichen Praxis zunehmend an Bedeutung gewinnt. Neue Studien zeigen: Mikrobielle Vielfalt, Entzündungsprozesse und sogar die Produktion von Neurotransmittern unterliegen zyklischen Schwankungen. In diesem Beitrag beleuchten wir, wie eng Hormone, Mikrobiom und Zyklus miteinander verbunden sind.

Zyklische Dynamik: Der Einfluss hormoneller Schwankungen auf das Mikrobiom

Der durchschnittliche Menstruationszyklus dauert etwa 28 Tage und gliedert sich in vier Phasen: Menstruationsphase, Follikelphase, Ovulationsphase und Lutealphase. Während dieser Zeit verändern sich die Spiegel von Östrogen und Progesteron kontinuierlich, was sich nicht nur auf die Fruchtbarkeit, sondern auch auf Stimmung, Schlaf, Stoffwechsel und das Darmmikrobiom auswirken kann.

Ergebnisse verschiedener Studien weisen zum Beispiel darauf hin, dass der Menstruationszyklus – insbesondere die schwankenden Sexualhormone – die Zusammensetzung des Darmmikrobioms beeinflussen kann. Jedoch sind weitere gut durchgeführte Studien erforderlich, um diese Annahme zu bestätigen. [1,2]. Ebenso nimmt die mikrobielle Diversität im Darm während der Menstruation ab und das Mikrobiom ist weniger stabil, was ein möglicher Erklärungsansatz für das häufig beobachtete Unwohlsein in dieser Phase sein könnte. Auch bestimmte Bakterienarten wie Clostridien werden durch den Östrogenspiegel beeinflusst.[1] Diese hormonellen Einflüsse haben auch Effekte auf die Darm-Hirn-Achse aus, was auch erklären könnte, warum viele Frauen in der Lutealphase emotionale Turbulenzen erleben.

Wenn der Zyklus die Lebensqualität beeinflusst

Bei manchen Frauen führen hormonelle Schwankungen zu einer massiven Beeinträchtigung des Wohlbefindens, besonders in der späten Lutealphase. Ist die Lebensqualität dadurch erheblich eingeschränkt, sprechen wir von PMS (prämenstruelles Syndrom) oder in schwereren Fällen von PMDD (prämenstruelle dysphorische Störung).

Eine japanische Studie von Takeda et al. (2022) zeigte, dass Frauen mit prämenstruellen Beschwerden eine veränderte Zusammensetzung ihres Mikrobioms aufweisen. Ein Unterschied in der Beta-Diversität*, jedoch nicht in der Alpha-Diversität*, wurde zwischen den Darmmikrobiota der PMDD- und Kontrollgruppen festgestellt. Auffällig war eine niedrigere Menge an Bacteroidetes, einer Bakteriengruppe mit entzündungshemmender Wirkung. Auch Mikroorganismen wie Parabacteroides, Butyricicoccus oder Megasphaera waren reduziert, bekannt für ihre Produktion von Butyrat und Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Diese Botenstoffe spielen auch für die Funktion des Gehirns eine Rolle. [3]

*Was ist Alpha- und Beta-Diversität?

Alpha- und Beta-Diversität sind zentrale Konzepte zur Beschreibung mikrobieller Vielfalt. Alpha-Diversität misst die Vielfalt innerhalb einer einzelnen Probe – also, wie viele verschiedene Mikrobenarten vorhanden sind und wie gleichmäßig sie verteilt sind. Sie gibt Auskunft über die „innere“ Komplexität eines Mikrobioms. Beta-Diversität hingegen beschreibt die Unterschiede in der mikrobiellen Zusammensetzung zwischen zwei oder mehreren Proben. Sie zeigt also, wie stark sich Mikrobiome voneinander unterscheiden. Während Alpha-Diversität für individuelle Vielfalt steht, analysiert Beta-Diversität die Variation zwischen verschiedenen Gruppen oder Zuständen, z. B. mit oder ohne prämenstruelle Beschwerden

Der Einfluss des zirkadianen Rhythmus

Ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus (zirkadiane Dysregulation) kann bei PMS und PMDD auftreten. Eine systematische Review von Nexha et al. (2024) belegt, dass betroffene Frauen häufig eine reduzierte Melatoninproduktion, eine erhöhte nächtliche Körpertemperatur und eine schlechtere Schlafqualität aufweisen. [4] Diese Störungen beeinflussen auch die Darmmikrobiota, da sie über denselben neuroendokrinen Regelkreis wirken, der zugleich Stimmung und Hormonhaushalt reguliert. [5]

Da Serotonin und Melatonin eng mit dem Mikrobiom verflochten sind, wird klar: Eine ganzheitliche Sicht auf diese Achsen ist unerlässlich, um prämenstruelle Beschwerden besser zu verstehen und letztlich gezielter zu therapieren.

Mentale Beschwerden im Zyklusverlauf

Neben den körperlichen Symptomen leiden Frauen mit PMS häufig auch psychisch massiv unter ihren Beschwerden. Eine qualitative Meta-Analyse von Brown et al. (2024) fasst die Erfahrungen von 479 Frauen zusammen: Viele berichteten von einem Gefühl, „zwei Personen in einem Körper“ zu sein. Die Angst vor der nächsten Lutealphase, Gefühle von Schuld und Scham sowie das mangelnde Verständnis durch Fachpersonal waren zentrale Themen. Einige Frauen gaben sogar an, während dieser Phasen suizidale Gedanken zu haben. [6]

Den Zyklus ganzheitlich verstehen – im Einklang mit dem Körper

Der Menstruationszyklus verläuft in unterschiedlichen Phasen, die jeweils unterschiedliche Bedürfnisse mit sich bringen.

  • Menstruation lädt zur Ruhe und Regeneration.
  • Follikelphase bringt neue Energie, Kreativität und Tatendrang.
  • Ovulationsphase stärkt das Selbstvertrauen und die Kommunikationsfähigkeit.
  • Lutealphase fordert Achtsamkeit, Rückzug und Vorbereitung auf die nächste Ruhephase.

Indem Patientinnen ihre Aktivitäten an die jeweilige Phase anpassen, kann dies einen Beitrag zur Stärkung des Wohlbefindens und der Selbstwahrnehmung leisten.

Fazit: Zyklische Intelligenz trifft mikrobielles Gleichgewicht

Die Erkenntnisse rund um Zyklus, Hormone und Mikrobiom wachsen stetig und zeigen eindrücklich, wie verflochten unser inneres Ökosystem ist. Für Ernährungsfachkräfte bietet sich hier ein spannendes Feld, um ganzheitlich, wissenschaftlich fundiert und empathisch zu beraten. Vielleicht beginnt die wichtigste Erkenntnis damit, den Zyklus nicht länger als lineare Abfolge zu betrachten, sondern als natürlichen Kreislauf.

Zyklus & Mikrobiom – kurz erklärt

  • Hormonelle Schwankungen im Zyklus beeinflussen das Darmmikrobiom, Stimmung und Stoffwechsel.

  • Während der Menstruation sinkt die mikrobielle Vielfalt – mögliches Unwohlsein.

  • Bei PMS/PMDD zeigen Studien veränderte Mikrobiom-Zusammensetzung und psychische Belastung.

  • Zirkadiane Störungen (z. B. schlechter Schlaf) wirken ebenfalls auf das Mikrobiom.

  • Ganzheitlicher Umgang mit dem Zyklus (z. B. Phasen-orientierte Lebensweise) kann Wohlbefinden fördern.

Quellen:

[1] Siddiqui, A. et al. (2022): The Gut Microbiome and Female Health. In: Biology (Basel) 11(11), S. 1683. Unter: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9687867/  (aufgerufen am 20.06.2025).

[2] Schieren, G. et al. (2024): Impact of Physiological Fluctuations of Sex Hormones During the Menstrual Cycle on Glucose Metabolism and the Gut Microbiota. In: Exp Clin Endocrinol Diabetes 132(5), S. 267–278. Unter: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11093651/  (aufgerufen am 20.06.2025).

[3] Takeda, T. et al. (2022): Characteristics of the Gut Microbiota with Premenstrual Symptoms. In: Front Psychiatry 15, Art. 1440690. Unter: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9140228/  (aufgerufen am 20.06.2025).

[4] Nexha, M. et al. (2024): Biological Rhythms in PMS and PMDD: A Systematic Review. In: BMC Womens Health 24, Art. 551. Unter: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11457342/ (aufgerufen am 20.06.2025).

[5] Tofani, M. et al. (2025): Gut Microbiota Regulates Stress Responsivity via the Circadian System. In: Cell Metabolism 37(1), S. 138–153.e5. Unter: https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S1550-4131(24)00399-1 (aufgerufen am 20.06.2025).

[6] Brown, H. et al. (2024): Psychological Impact of Premenstrual Disorders: A Thematic Synthesis. In: Biology 11(11), S. 1683. Unter: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11402655/ (aufgerufen am 20.06.2025).