ProBiotica News

Das Darmmikrobiom – ein einzigartiges Ökosystem

Unser Darm ist mehr als nur ein Verdauungsorgan – er ist die Heimat eines faszinierenden Ökosystems aus Billionen von Mikroorganismen. Längst spricht man in Fachkreisen nicht mehr von der „Darmflora“, sondern von der „Mikrobiota“. Während der Begriff „Flora“ an Pflanzen erinnert, beschreibt die „Mikrobiota“ viel treffender die Gemeinschaft an Mikroorganismen, die in unserem Verdauungstrakt leben. Jeder Mensch trägt dabei ein einzigartiges mikrobielles Muster aus etwa 100 bis 200 verschiedenen Bakterienarten in sich. Diese Individualität macht es der Mikrobiomforschung schwer, eine einheitliche Definition für ein gesundes Darmmikrobiom festzulegen.

Denn was genau bedeutet ein gesundes Mikrobiom? Welche Faktoren beeinflussen seine Zusammensetzung und welche Rolle spielt es für unsere Gesundheit? Diesen Fragen geht der Review „What defines a healthy gut microbiome?“ von Van Hul M. Cani PD, Petitfils C. et al. (2024) auf den Grund.

Was ist das Mikrobiom?

Am und im Körper befinden sich Mikroorganismen: Bakterien, Archaebakterien, Pilze, Viren und Bakteriophagen, die im Gesamten als humane Mikrobiota bezeichnet werden. Die intestinale Mikrobiota, also die Bakterien, Archaebakterien, Pilze, Viren und Bakteriophagen, die den Darm besiedeln, setzt sich aus ca. 3,8 x 1013 Mikroorganismen – in der Mehrheit Bakterien – zusammen. Insgesamt wurden bisher 1.000 bis 1.500 verschiedene Bakterienarten im Darm gefunden. Die Gesamtheit der Gene aller Mikroorganismen, die einen bestimmten Lebensraum besiedeln, wird als Mikrobiom bezeichnet. Jeder Mensch beherbergt jedoch ein individuelles Muster. Dies macht das Darmmikrobiom so individuell wie einen inneren Fingerabdruck.

Was wird unter einem gesunden Darmmikrobiom verstanden?

Mit dieser Frage beschäftigt sich die Forschung intensiv. Die Mikrobiomforschung versucht zu entschlüsseln, was genau ein gesundes Mikrobiom kennzeichnet und welche Rolle es (z. B. durch Dysbiosen) bei der Entstehung von verschiedenen Erkrankungen spielt. Doch weil jede Mikrobiota individuell ist, gibt es keine universelle Definition des einen gesunden Darmmikrobioms. Es gibt allerdings Eigenschaften, die auf ein gesundes Mikrobiom hinweisen:

  • Mikrobielle Vielfalt: eine hohe Diversität und Vielfalt an (guten) Bakterienarten
  • Zusammensetzung: das Gleichgewicht zwischen „guten“ und „schlechten“ Bakterien, dabei werden Abundanzen, Enterotypen und spezifische Arten berücksichtigt.
  • Funktionalität: Produktion wichtiger Metabolite oder enzymatische Aktivitäten. Zu den relevanten Stoffwechselprodukten zählen: kurzkettige Fettsäuren (SCFAs), Gallensäuren, Tryptophan-Derivate, Gase wie Wasserstoff, Schwefelwasserstoff und Methan.
  • Widerstandsfähigkeit: Fähigkeit, sich nach Störungen und Krankheiten schnell zu erholen.
  • Weitere Marker für die Darmgesundheit können der pH-Wert des Darms und Entzündungsmarker wie Calprotectin und Lactoferrin sein.

Ein gesundes Mikrobiom ist immer auch mit gesunden Individuen und einem gesunden Darm verbunden. Darmgesundheit wiederum ist ebenfalls von individuellen Variablen wie Ernährungsweisen, Lebensstilfaktoren sowie genetischen und umweltbedingten Einflüssen abhängt, und deshalb ebenfalls schwierig ganzheitlich zu definieren.

Eine weitere Frage in der Mikrobiomforschung ist die Definition von gesunden Individuen, um festzustellen, was ein gesundes Mikrobiom ausmacht. Wer repräsentiert die gesündesten Menschen in unserer Gesellschaft? Sind es Personen ohne Erkrankungen, SpitzensportlerInnen, Menschen mit einem gesunden Lebensstil oder sogar außergewöhnlich hochbetagte Menschen?

Unterschiedliche Sichtweisen auf „Darmgesundheit“:

Klinische Perspektive: Keine diagnostizierten Magen-Darm-Erkrankungen
Funktionale Perspektive: Keine Verdauungsbeschwerden oder andere Funktionsstörungen wie Blähungen, unregelmäßiger Stuhlgang und Unwohlsein
Ganzheitliche Perspektive: Ideale Zusammensetzung, Struktur und Funktion des Darms (effiziente Nährstoffaufnahme, starke Barriere, ausgewogene und vielfältige Mikrobiota

Faktoren für ein gesundes Mikrobiom – Wie kann man es gesund halten?

Die Zusammensetzung und Funktionalität des mikrobiellen Ökosystems im Darm wird von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst. Dazu zählen unter anderem die Ernährung, der Einsatz von Antibiotika und anderen Medikamenten, das Alter, genetische Veranlagungen, Lebensstilfaktoren, geografische Lage und Umweltbedingungen, Infektionen und Krankheiten, die Art der Geburt sowie Erfahrungen in der frühen Kindheit und die Exposition gegenüber Schadstoffen und Umweltgiften.

Ernährung als Schlüssel

Die Ernährung zählt zu den wichtigsten Einflussfaktoren auf die Zusammensetzung und Funktion des Darmmikrobioms. Sie wirkt sich direkt auf die Darmgesundheit, die Barrierefunktion, Entzündungsprozesse sowie den Stoffwechsel von Energie, Glukose und Fetten aus. So gelangen Ballaststoffe aus Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten unverdaut in den Dickdarm, wo sie von den Bakterien fermentiert werden. Dabei entstehen kurzkettige Fettsäuren (SCFAs) wie Acetat, Propionat und Butyrat. Diese fördern die Energieversorgung der Darmzellen, regulieren den Stoffwechsel und stärken die Darmbarriere. Butyrat spielt zudem eine Schlüsselrolle bei der Regeneration der Darmschleimhaut.

Fazit: Darmgesundheit und Mikrobiomgesundheit – more to come

Das Darmmikrobiom ist ein faszinierendes, hochkomplexes und individuelles Ökosystem, das mit zahlreichen Prozessen im Körper in Wechselwirkung steht. Doch die eindeutige Definition einer gesunden Darmmikrobiota bleibt trotz erheblicher Fortschritte in der Forschung eine große Herausforderung. Präzise Analysemethoden und Langzeitstudien sind in Zukunft essenziell, um das Darmmikrobiom sowie seine Veränderungen über die Lebensspanne besser zu verstehen. Wir bleiben dran!

Quellen:

Van Hul M. Cani PD, Petitfils C. et al. (2024): What defines a healthy gut microbiome? Gut. 2024 Oct 7;73(11):1893-1908. doi: 10.1136/gutjnl-2024-333378.