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Alle Jahre wieder im Stimmungstief – Winterdepression verstehen

Die dunkle Jahreszeit, vor allem der Winter, kann bei vielen Menschen zu Stimmungsschwankungen führen. Dieser Effekt wird in Fachkreisen als saisonale affektive Störung (SAD) oder Winterdepression bezeichnet. Die Betroffenen klagen über Antriebslosigkeit und übermäßige Traurigkeit. Sie haben ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Schlaf und mehr Appetit als sonst, vor allem auf Süßes. Etwa jede zehnte Depression, die im Winter auftritt, ist tatsächlich eine echte Winterdepression.

In Europa leiden etwa ein bis drei Prozent der Erwachsenen an einer SAD. Frauen sind häufiger von Winterdepressionen betroffen als Männer. In südlicheren Ländern kommen Winterdepressionen insgesamt seltener vor. In den nördlicheren Breiten, wo die Winter länger und dunkler sind, sind sie häufiger. Eine schwächere Form ist der sogenannte Winter- oder Novemberblues. Die Betroffenen schleppen sich energielos und übellaunig durch die trüben Tage, sie sind aber nicht richtig depressiv. Diesen milderen Verlauf bezeichnen Fachleute als subsyndromale SAD (s-SAD). Auslöser und Ursachen für das saisonale Stimmungstief können vielfältig sein.

In diesem Artikel setzen wir uns mit den möglichen Ursachen für eine SAD auseinander und beleuchten den generellen Zusammenhang zwischen dem Darm und Depression.

Mögliche Ursachen für das Stimmungstief

Obwohl der Lichtmangel, der mit der verringerten Sonneneinstrahlung an Herbst- und Wintertagen einhergeht, als eine der Hauptursachen gilt, die Stimmungsschwankungen hervorrufen kann, ist er als alleiniger Auslöser umstritten. Wie andere depressive Erkrankungen ist auch SAD multifaktoriell. Sie entwickelt sich individuell und meist aus einem Zusammenspiel unterschiedlicher Einflüsse, die sowohl psychosoziale als auch neurobiologische Aspekte, wie etwa eine gestörte Hormonbiosynthese während der kalten Jahreszeiten, haben können. Einige Hypothesen werden wir im Folgenden jeweils kurz beleuchten.

Die Melatonin-Hypothese

Für unsere innere Uhr, die dem Körper signalisiert, wann Tag und wann Nacht ist, bringt die abnehmende Helligkeit eine große Umstellung mit sich, u. a. weil sie sich auf die Produktion des Schlafhormons Melatonin auswirkt. Bei Dunkelheit produziert die Zirbeldrüse unbeirrt weiter Melatonin, obwohl der Tag längst begonnen hat. Die mögliche Folge: Es fällt uns schwerer, aus dem Bett zu kommen, wir sind müde, es fehlt uns an Antrieb und Energie. Ein Effekt, den Wissenschaftler/-innen anhand der Melatoninwerte im Blut bei Patientinnen und Patienten , die an einer Winterdepression leiden, nachweisen konnten: Noch weit in den Tag hinein konnten die Forscher/-innen Melatonin im Blut der Betroffenen messen. (1)

Die Hypothese der Serotoninregulation

Eine weitere mögliche Erklärung für Verstimmungen in Herbst und Winter gibt der Botenstoffhaushalt des Gehirns. Natürliches Tageslicht kurbelt die Produktion des Glückshormons Serotonin an. Sein Mangel kann mit einer reduzierten Ausschüttung dieses Hormons verbunden sein. (2) Ein Umstand, der uns sowohl auf unsere Stimmung als auch auf unser Wohlbefinden schlagen kann.

Die Hypothese der genetischen Disposition

Aber auch die genetische Disposition entscheidet mit, ob und wie sehr unser Gemüt unter dem Lichtmangel leidet. So konnte bei Kanadierinnen und Kanadiern mit isländischer Abstammung nachgewiesen werden, dass sie in ihrer neuen Heimat deutlich seltener an Winterdepressionen erkranken als Staatsangehörige mit anderem Stammbaum. Vermutlich war im langen und dunklen isländischen Winter eine unempfindliche Reaktion auf den anhaltenden Lichtmangel von entscheidendem Vorteil. (3)

Die Hypothese der inneren Einstellung

Der amerikanische Psychiater Michael Young konnotierte 2008, dass all diejenigen, die bereits nach den ersten kühlen Tagen den Herbstblues regelrecht heraufbeschwören und dazu neigen, eine Gewichtszunahme oder Müdigkeit schwer zu ertragen und sich zudem zurückzuziehen, auch schnell in ein handfestes Stimmungstief abdriften. (4)

Andere Einflussfaktoren auf die Stimmung

Ein weiterer Faktor, der zu Stimmungsschwankungen beitragen kann, ist die reduzierte körperliche Aktivität im Herbst und Winter. Die niedrigeren Temperaturen und das ungemütliche Wetter verleiten dazu, sich zu Hause einzuigeln, weniger Zeit im Freien zu verbringen und sich weniger zu bewegen. Regelmäßige körperliche Aktivität ist jedoch wichtig für die Freisetzung von verschiedenen Hormonen im Gehirn, die das Wohlbefinden steigern können. Neben Adrenalin und Noradrenalin sind das Dopamin, Serotonin, Endorphine und Enkephaline, die zu den sogenannten Glückshormonen zählen. Der Mangel an körperlicher Aktivität im Winter kann daher zu einer Verschlechterung der Stimmung führen.

Auch der soziale Aspekt kann in dem multifaktoriellen Gefüge eine Rolle spielen. In den Wintermonaten verbringen wir oftmals nicht nur mehr Zeit drinnen, auch neigen wir dazu, weniger soziale Interaktionen zu pflegen. Dies kann wiederum zu einem Gefühl der Isolation und Einsamkeit führen und beeinträchtigt unter Umständen unsere Stimmung.

Einfluss auf die Stimmung

In den letzten Jahren haben Studien zunehmend eine Verbindung zwischen dem Darm und der Entstehung von Depressionen aufgezeigt. (5, 6) Erst kürzlich lieferten diverse Forschungsgruppen viele neue Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass die Gesundheit des Darms einen bedeutenden Einfluss auf die psychische Gesundheit haben kann. (7) Dass die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft im Darm eine wichtige Rolle für die depressive Symptomatik spielt, vermuten Forschende bereits seit geraumer Zeit.

Die direkte Kommunikation zwischen Darm und Gehirn erfolgt einerseits über den Vagusnerv, andererseits tauschen sich die beiden Organe über den Blutkreislauf aus. Da daran Botenstoffe wie Neurotransmitter, Hormone sowie kurzkettige Fettsäuren beteiligt sind, kann sich der Zustand in unserem Darm auch auf unser seelisches Wohlbefinden auswirken – und umgekehrt.

Die verschiedenen Mikroorganismen der intestinalen Mikrobiota bilden ein Ökosystem, das in einem bestimmten Gleichgewicht für die Gesundheit des Organismus wichtig sein kann. Und über die Darm-Hirn-Achse ist das Nervensystem des Verdauungstrakts mit unserem Gehirn verbunden. So stehen die beiden Organe in einem ständigen wechselseitigen Austausch miteinander und können sich gegenseitig beeinflussen.

Dies bedeutet vereinfacht: Geht es uns seelisch schlecht, schlägt sich dies auf unsere Verdauung nieder. Gerät die Darmmikrobiota aus dem Gleichgewicht, spüren wir das unter Umständen auch auf mentaler Ebene. Wir reagieren stressempfindlich, sind angespannt und unausgeglichen.

Mehr darüber, wie die Darmmikrobiota und Depressionen zusammenhängen, welches Potenzial die Modulation der Darm-Hirn-Achse bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen birgt und welchen Effekt Probiotika bei Depressionen haben können, erfahren Sie hier.

Vitamin-D-Versorgung in den dunkleren Monaten

Das geringe Tageslicht im Herbst und Winter kann zusätzlich zur mentalen Gesundheit auch den Vitamin-D-Haushalt aus dem Gleichgewicht bringen. Unser Körper bildet Vitamin D bei Sonneneinstrahlung in der Haut. Nahrungsmittel enthalten in der Regel eher kleine Mengen dieses wichtigen Vitamins. Neben Fettfisch, Eigelb, einigen Pilzen sind mit Vitamin D angereicherte Lebensmittel gute Quellen.

Das sagt Expertin Christina Wiedemann

„In den Monaten von Oktober bis März ist die Sonne nicht stark genug, um eine ausreichende Bildung von Vitamin D zu gewährleisten. Es kann zu einer Unterversorgung kommen, wenn der Vitamin-D-Vorrat nicht ausreichend ist. Vitamin D spielt im Körper aber eine wichtige Rolle – es ist an zahlreichen Stoffwechselvorgängen beteiligt und wichtig für Muskeln, Knochen und die Immunabwehr.“

                              

Quellen

  1. Wehr, Thomas A. et al. (2001): A Circadian Signal of Change of Season in Patients With Seasonal Affective Disorder. Arch Gen Psychiatry 58, S. 1108-1114. DOI: 10.1001/archpsyc.58.12.1108

  2. Lambert, Gavin W. et al. (2002): Effect of sunlight and season on serotonin turnover in the brain. The Lancet, Vol. 360. DOI: 10.1016/S0140-6736(02)11737-5

  3. Magnusson A. et al. (1993): The prevalence of seasonal affective disorder is low among descendants of Icelandic emigrants in Canada. Arch Gen Psychiatry 50, S. 947-951. DOI: 10.1001/archpsyc.1993.01820240031004

  4. Young, M. A. et al. (2008): Rumination and Vegetative Symptoms: A Test of the Dual Vulnerability Model of Seasonal Depression. Cognitive Therapy and Research, Vol. 32, S. 567–576. DOI: 10.1007/s10608-008-9184-z

  5. Kelly, J. R. et al. (2016): Transferring the blues: depression-associated gut microbiota induces neurobehavioural changes in the rat. Journal of Psychiatric Research 82, S. 109-118. DOI: 10.1016/j.jpsychires.2016.07.019

  6. Sanada, K. et al. (2020): Gut microbiota and major depressive disorder: A systematic review and meta-analysis. Journal of Affective Disorders 266, S. 1-13. DOI: 10.1016/j.jad.2020.01.102

  7. Radjabzadeh, D. et al. (2022): Gut microbiome-wide association study of depressive symptoms. Nat Commun 13, 7128. DOI: 10.1038/s41467-022-34502-3