Der menschliche Körper wird von den verschiedensten Mikroorganismen, also Bakterien, Archaebakterien, Pilzen, Viren und Bakteriophagen besiedelt, die im Gesamten als humane Mikrobiota bezeichnet werden. Die intestinale Mikrobiota setzt sich aus ca. 3,8 x 1013 Mikroorganismen – in der Mehrheit Bakterien – zusammen. Dabei spielt die Gesamtheit der Mikroorganismen, die den Verdauungstrakt besiedeln, eine Schlüsselrolle: Insgesamt wurden bisher 1.000 bis 1.500 verschiedene Bakterienarten im Darm gefunden. Jeder Mensch beherbergt jedoch nur ein individuelles Muster aus etwa 100 bis 200 verschiedenen Arten.
Der Begriff Metabolom[4] bezeichnet die Gesamtheit aller Stoffwechselprodukte eines biologischen Systems. Dieses „biologische System“ kann eine einzelne Zelle sein, aber auch ein bestimmtes Gewebe oder ein Organ, wie der Darm. Die Stoffwechselprodukte bzw. Metabolite, die von den Darmbakterien produziert werden, haben, wie man heute weiß, einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit. Kaum eine Krankheit wird heute nicht mit einer Störung des Darm-Metaboloms in Verbindung gebracht. Einen Überblick über die detaillierten Wirkmechanismen finden Sie HIER.
Wie entwickelt sich die Mikrobiota im Laufe des Lebens?
Schwangerschaft und Geburt
Wann eine Erstkolonisierung des Darms erfolgt, ist noch nicht final geklärt.
Die Wissenschaft streitet, ob bereits während der Schwangerschaft oder erst nach der Geburt.
Schwangerschaft/Geburt
Wann genau Menschen ihre ersten Mikroben erhalten, wird aktuell noch unter Wissenschaftlern/Wissenschaftlerinnen diskutiert. Einige gehen davon aus, dass der Fötus in einer sterilen Umgebung heranwächst und erst während des Geburtsvorgangs mit den ersten Bakterien der Mutter in Kontakt kommt.[5] Neuere Untersuchungen konnten allerdings zeigen, dass Babys bereits im Mutterleib über ein Mikrobiom verfügen.[6]
Kleinkinder und Kinder
Die typische Darmmikrobiota entwickelt sich in den ersten Lebensjahren. Dabei nimmt die Ernährung des Säuglings und des Kleinkindes einen wesentlichen Einfluss auf die Besiedlung.
Kleinkinder/Kinder
In den ersten Lebensmonaten entwickelt sich ein mikrobielles Ökosystem, das sich an die Ernährung (Stillen bzw. Flaschennahrung) und Umweltbedingungen anpasst und bei Kindern noch relativ dynamisch ist. Näheres dazu können Sie diesem REVIEW von Yao Yao et al. entnehmen. Inwieweit Pro- und Präbiotika auf die mikrobielle Kolonisierung des Neugeborenen Einfluss nehmen, können Sie HIER nachlesen.
Erwachsene
Die eher stabile erwachsene intestinale Mikrobiota passt sich ebenfalls wechselnden Umweltfaktoren an. Dabei spielen Ernährung und Lebensstil, Medikamenteneinnahme oder Erkrankungen sowie Stress eine Rolle.
Erwachsene
Ab dem Erwachsenenalter ist die Mikrobiota relativ stabil. Dennoch wird auch hier die Zusammensetzung der Darmmikrobiota von einer Vielzahl innerer und äußerer Faktoren beeinflusst. Dies ermöglicht zum einen eine optimale Anpassung an diverse Lebensräume und Lebensbedingungen, kann aber auch dazu führen, dass die Mikrobiota aus der Balance gerät.
Senioren
Mit zunehmendem Alter nimmt die Diversität des Mikrobioms ab, die interindividuellen Unterschiede hingegen nehmen zu.
Senioren
Neben der Veränderung von Haut, Knochen und Organen verändert sich mit zunehmendem Alter auch die Darmmikrobiota: Hierbei konnten Wissenschaftler/-innen feststellen, dass die Zusammensetzung der Darmmikrobiota vom Lebensort – Heim, Krankenhaus oder Zuhause – und der Ernährungsweise abhängt.[7] Mikrobiom-Forscher/-innen sind außerdem der Ansicht, dass sich gesundes Altern auch im Darm widerspiegelt. Mit welchen Maßnahmen dem Abbau der Diversität der intestinalen Mikrobiota Aufschub geleistet werden kann sowie weitere Hintergrund-Infos und Studien dazu finden Sie HIER.
Weitere Einflussfaktoren auf das Mikrobiom
Dass auch andere Faktoren, wie das Klima oder übertriebene Hygienemaßnahmen, Einfluss auf das Mikrobiom nehmen, hat die Wissenschaft in den letzten Jahren zunehmend beschäftigt. Der Frage, ob zu viel Hygiene auch der Darmmikrobiota schadet, wird HIER ausführlicher nachgegangen.
Inwiefern der Klimawandel – ein Thema, das aktuell in vielen Bereichen präsent ist – Einfluss auf die intestinale Mikrobiota nimmt, können Sie HIER nachlesen.
Welchen Einfluss hat die Mikrobiota
auf den gesamten Stoffwechsel?
Rund 38 Billionen (3,8 x 1013) Mikroorganismen beherbergt der Darm.[9] Inzwischen haben zahlreiche Studien aufzeigen können, dass die Darmmikrobiota nicht nur den Verdauungstrakt beeinflusst, sondern mit dem restlichen Körper in Verbindung steht. Durch die Permeabilität des Darms können biologisch aktive Substanzen der Bakterien in den Blutkreislauf gelangen und damit auf verschiedenen Wegen Einfluss auf andere Organe sowie auf Schlaf, Psyche, Immunsystem und Leistungsfähigkeit nehmen. Dabei spielt wohl vor allem die Diversität der Mikrobiota, also die Vielfalt der Bakterien im Darm, eine wichtige Rolle. Denn die verschiedenen Bakterienarten übernehmen verschiedene Aufgaben.
Während die einen die Ausbreitung eindringender und potenziell schädlicher Keime verhindern, indem sie in Konkurrenz zu ihnen stehen und ihnen weder Platz noch Nährstoffe lassen, arbeiten andere direkt mit dem Immunsystem zusammen, um pathogene Keime aktiv zu bekämpfen. Sie produzieren Abwehrstoffe gegen Eindringlinge, sodass diese sich weder ansiedeln noch vermehren können.[9] Bestimmte Bakterien schlüsseln im Dickdarm Nahrungskomponenten auf und produzieren dabei kurzkettige Fettsäuren, die sich auf die Immunabwehr auswirken, guten Darmbakterien als Nahrung dienen sowie das Wachstum und die Differenzierung der Schleimhautzellen im Dickdarm fördern können. Wieder andere stellen essenzielles Vitamin K und Folsäure her.[9]
Laut einer repräsentativen Umfrage von Yakult leiden fast dreiviertel aller Deutschen (74 Prozent) unter Verdauungsproblemen wie Blähungen, aber auch Verstopfungen, wenn sie Stress haben oder in schlechter Stimmung sind. Gleichzeitig denken 69 Prozent, dass der Darm auch auf Stress und Emotionen Einfluss hat.[9] Warum sie damit richtig liegen, können Sie HIER nachlesen.
Wie die Darmmikrobiota den Schlaf beeinflusst
Studien haben zudem zeigen können, dass es einen Zusammenhang zwischen der Diversität der Darmmikrobiota und der Schlafeffizienz gibt.[11] Die genauen wissenschaftlichen Zusammenhänge zwischen der Zusammensetzung des Darmmikrobioms und der Schlaf-Qualität erläutert dieser spannende BEITRAG: Schlaf und Mikrobiota.
Wie wichtig Sport für die Gesundheit ist, ist vielen bewusst – doch dass sich Bewegung auch positiv auf die Darmmikrobiota auswirkt und wiederum die Darmmikrobiota auf die Leistungsfähigkeit, ist zuletzt immer stärker in den Fokus der Wissenschaft gerückt. Auch die Rolle von Probiotika und deren Einfluss auf die Gesundheit und Leistung von Athleten/Athletinnen ist Gegenstand der Forschung. Die wichtigsten Infos dazu haben wir HIER für sie zusammengefasst.
Wie sportliche Ziele erreicht werden können und man die richtige Balance findet, erklären Sportpsychologin Dr. Rita Regös und Ernährungswissenschaftler und Sportexperte Dr. Georg Abel in diesem BEITRAG.
Dass die Stimmung die Wahl des Essens mitunter beeinflusst, ist nicht neu. Gerade in stressigen Situationen greift fast die Hälfte (43 Prozent) der Deutschen über alle Altersgruppen hinweg zu Süßigkeiten.[10] Darauf, dass auch umgekehrt Essen die Psyche und Stimmung beeinflussen kann, weisen immer mehr Studien hin.
Welche Mechanismen hier relevant sind und welchen Einfluss Probiotika haben können, erfahren Sie in dem BEITRAG „Depression und Magen-Darm-Beschwerden – Was bewirken Probiotika?“
Quellen
1 Sender, R. et al. (2016): Revised Estimates for the Number of Human and Bacteria Cells in the Body. In: PLOs Biol.14. Unter: https://journals.plos.org/plosbiology/article?id=10.1371/journal.pbio.1002533 (aufgerufen am: 24.11.2022).
2 Palm, N. et al. (2015): Immune-microbiota interactions in health and disease. In: Clinical Immunology 159. S. 122-127. Unter: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1521661615001990?via%3Dihub (aufgerufen am: 1.12.2022).
3 Cho, I., Blaser, M. J. (2012): The human microbiome. In: Nat Rev Genet. 13 (4). S. 260-270.
4 Definition: https://www.medicoconsult.de/metabolom/ (aufgerufen am: 08.11.2022).
5 Walker, R. W. et al. (2017): The prenatal gut microbiome: are we colonized with bacteria in utero? In: Pediatr Obes. Aug,12 Suppl 1, S. 3-17. Unter: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ijpo.12217 (aufgerufen am 24.11.2022).
6 Collado, M. C. et al. (2016): Human gut colonisation may be initiated in utero by distinct microbial communities in the placenta and amoniotic fluid. In: Scientific Reports 6, 23129. Unter: https://www.nature.com/articles/srep23129 (aufgerufen am: 12.10.2022).
7 Claesson, M. J. et al. (2012): Gut microbiota composition correlates with diet and health in the elderly. In: Nature 488 (7410), S. 178- S.184 Unter: https://www.researchgate.net/publication/229152782_Gut_microbiota_composition_correlates_with_diet_and_health_in_the_elderly (aufgerufen am: 07.11.2022).
8 Hohmann-Jeddi, C. (2018): Alterungsprozess im Darm. In: Pharmazeutische Zeitung 28. Unter: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-282018/alterungsprozess-im-darm/ (aufgerufen am: 07.11.2022).
9 Stallmach, A. et al. (2016): Mikrobiom: Wissensstand und Perspektiven. Walter de Gruyter Verlag, 1. Auflage.
10 Repräsentative paneuropäische Studie mit 1.000 Personen über 18 Jahre aus Deutschland. Unter: https://kommunikationpur.com/yakult-studie-darm-hirn-achse/ (aufgerufen am: 07.11.2022).
77 Prozent gaben an, Essen als Stimmungsaufheller zu nutzen. 6 Prozent tun dies immer, 24 Prozent oft und 47 Prozent nutzen Lebensmittel nur gelegentlich als „Gefühlsbooster“.
11 Davidson, E. J. et al. (2019): Gut microbiome diversity is associated with sleep physiology in humans. In: PLOS ONE 14 (10).
Unter: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0222394 (aufgerufen am: 07.11.2022).