
Alles für den Darm – Sport in den Alltag integrieren: Im Gespräch mit Dr. Claudia Osterkamp-Baerens
Sport treiben, ausgewogen essen und ausreichend schlafen gelten nicht nur als die häufigsten guten Vorsätze zum Jahresstart, sondern sind auch Schlüsselfaktoren, um das Wohlbefinden zu steigern. Dass auch der Darm, insbesondere die Mikrobiota einen großen Anteil am ganzheitlichen Wohlbefinden hat, wird dabei allerdings oft vergessen. Doch wie integriert man langfristig eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Sporteinheiten in den ohnehin schon stressigen und vollgepackten Alltag? Diese und weitere Fragen rund um Sport und Darmgesundheit beantwortet Frau Dr. Osterkamp-Baerens. Sie ist promovierte Diplom-Ökotrophologin und war von 2003 bis 2021 für die Leistungssportler und -sportlerinnen des Olympiastützpunkts Bayern Ansprechpartnerin für alle Ernährungsfragen.

Yakult: Frau Dr. Osterkamp-Baerens, Leistungssportler- und sportlerinnen sind grundsätzlich sehr diszipliniert und halten sich konsequent an Trainings- und Ernährungspläne. Haben Sie ein paar Tipps und Tricks von den Profis für die normale Bevölkerung, wie Trainingseinheiten sinnvoll und vor allem langfristig in den Alltag integriert werden können?
Frau Dr. Osterkamp-Baerens: Ein wesentlicher Faktor ist der Spaß – der Spaß an der Bewegung selbst, aber auch der Spaß und die Freude, die anderen Trainingsmitglieder und Trainer sowie Trainerinnen zu treffen. Niemand im Leistungssport trainiert allein. Die Trainingsgruppe ist gerade dann, wenn die Meisterschaften noch in weiter Ferne liegen, die wichtigste Motivation zum Training zu gehen. Denn die gemeinsam durchgestandenen Trainingsserien und die Erlebnisse auf Trainings- und Wettkampfreisen schaffen eine starke Verbindung. Die Sportler und Sportlerinnen freuen sich aufs Wiedersehen und den Austausch.
Die Trainer und Trainerinnen erhalten den Spaß am Training darüber hinaus, indem sie für Abwechslung sorgen: Neue Trainingsformen, Geschicklichkeitsübungen, andere Sportarten. Denn Monotonie ist ein absoluter Motivationskiller.
Deshalb sollten Freizeitsportler und -sportlerinnen nicht mehr von sich erwarten, als es Topathleten und Althetinnen tun. Keine Lust auf Training hat wenig mit Inkonsequenz oder Disziplinlosigkeit zu tun. Mein Tipp: Machen Sie es wie die Profis und trainieren Sie in der Gruppe am besten unter Anleitung eines Trainers. Das macht mehr Spaß als allein, und es ergeben sich automatisch feste Trainingszeiten, die man nicht so einfach absagt.
Yakult: Mit wie vielen Sporteinheiten und in welcher Art und Umfang kann ich meine Gesundheit und meinen Darm optimal unterstützen? Gibt es Richtwerte?
Frau Dr. Osterkamp-Baerens: Um die Gesundheit zu erhalten und umfassend zu fördern, sollten sich Erwachsene zwischen 18 und 65 Jahren an den Empfehlungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) orientieren. Diese empfiehlt wöchentlich entweder eine mindestens 150-minütige ausdauerorientierte Bewegung mit moderater Intensität (z. B. fünfmal 30 Minuten pro Woche) oder mindestens 75 Minuten ausdauerorientierte Bewegung mit höherer Intensität. Darüber hinaus wird zweimal pro Woche eine muskelkräftigende körperliche Aktivität empfohlen.(1) Die Effekte auf die Gesundheit sind enorm. So sinkt nicht nur das Gesamtsterblichkeitsrisiko um bis zu 30 Prozent, sondern auch die Wahrscheinlichkeit an Typ 2 Diabetes, Krebs oder Herz-Kreislauf-Leiden zu erkranken. Auch die günstigen Auswirkungen auf die Verdauung sollte man nicht vergessen. Vor allem intensivere Belastungen, also Bewegungen, bei denen man außer Atem kommt, beschleunigen die Dickdarmpassage.
Yakult: Was ist Ihnen in der Ernährungsberatung der Leistungssportler- und sportlerinnen besonders wichtig, und lassen sich hier Empfehlungen auf die Ernährung im Freizeit- bzw. Breitensport übertragen?
Frau Dr. Osterkamp-Baerens: Der Mahlzeitenrhythmus ist das Schlüsselthema in der Ernährungsberatung mit Sportlern und Sportlerinnen. Denn damit steht und fällt die Leistungsfähigkeit, das Wohlbefinden und die Verdauung. Zu lange Pausen zwischen den Mahlzeiten führen zu großem Hunger, der wiederum bewirkt, dass zu viel und zu schnell gegessen wird. Das macht müde und träge. Außerdem rückt dann häufig die Qualität der Lebensmittel in den Hintergrund, und der Magen-Darm-Trakt wird durch die großen Portionen und eher schlecht gekaute Nahrung häufig überlastet. Bauchgrummeln, Magendrücken, Blähungen sind die Folge. Viele Sportler und Sportlerinnen denken dann zunächst an Allergien oder Lebensmittelunverträglichkeiten. Aber in den meisten Fällen ist der Mahlzeitenrhythmus die Ursache.
Deshalb ist es wichtig, regelmäßig und gut verteilt über den Tag zu essen. Drei bis vier Stunden zwischen den Mahlzeiten haben sich bewährt. Die letzte größere Mahlzeit sollte zwei bis drei Stunden vor dem Training liegen und leicht verdaulich sein. Das bedeutet wenig Gemüse und sehr wenig Rohkost, Samen, Nüsse oder frisches Obst. Denn diese Lebensmittel bieten zwar viele wertvolle Nährstoffe und sind ein Muss in der Sportlerernährung, aber sie enthalten kaum Kohlenhydrate und liegen recht lange im Magen. Das ist ungünstig vor dem Training. Daher sollte man sie besser nach dem Training essen oder zu Mahlzeiten einplanen, die mehrere Stunden vor dem Training liegen. Für Sportler und Sportlerinnen, die terminlich stark eingebunden und viel unterwegs sind, ist deshalb eine grobe Planung ihrer Mahlzeiten wichtig. Auch Freizeitsportler und -sportlerinnen sollten sich die Mühe machen ihre Mahlzeiten zu planen, um eine ausgewogene Ernährung sicherzustellen.
Yakult: Und wie lassen sich Heißhungerattacken nach dem Sport vermeiden?
Frau Dr. Osterkamp-Baerens: Gegen Heißhungerattacken hilft nur eins: Vor dem Training ausreichend essen. Gerade Freizeit- und Breitensportler und- sportlerinnen mit Job, Familie und Haushalt trainieren – anders als die Profis, deren Job das Training ist – entweder mal schnell in der Mittagspause oder direkt im Anschluss an die Arbeitszeit am Abend. In beiden Fällen liegt das Training zur besten Essenszeit. Und die letzte Hauptmahlzeit (Frühstück bzw. Mittagessen) wurde vier bis fünf Stunden vorher verzehrt. Das ist auch für Freizeitsportler- und sportlerinnen eine deutlich zu lange Pause. Die Folge: Der Körper ist nach dem Training ausgehungert und Heißhunger die logische Folge.
Deshalb sollten Mahlzeiten nach Möglichkeit geplant und auf das Training abgestimmt werden. Wer mittags gegen 13:00 Uhr trainiert, sollte früh zu Mittag essen (11:30 Uhr). Hier würde sich ein leichtes asiatisches Gericht mit viel Reis und wenig Fleisch oder eine mittlere Portion Spaghetti Napoli mit wenig Käse anbieten. Beim Abendtraining sollte am besten zwei Stunden vorher noch eine Mahlzeit aufgenommen werden, z. B. ein großes Müsli auf Flockenbasis mit Banane oder Weintrauben. Das lässt sich auch in jeder Teeküche gut zubereiten.
Yakult: Was empfehlen Sie den Sportler und Sportlerinnen insbesondere in der kalten Jahreszeit, wenn Erkältungskrankheiten kursieren?
Frau Dr. Osterkamp-Baerens: Bei der Ernährung setze ich bei Sportlern und Sportlerinnen vor allem auf eine ausreichende Kohlenhydrat-Versorgung und probiotische Lebensmittel. Denn Studien konnten zeigen, dass es durch das Training zu einer verstärkten Ausschüttung von Stresshormonen kommt, einige Entzündungsparameter ansteigen und die Lymphozyten-Zahl sinkt. Durch eine reduzierte Kohlenhydratzufuhr wird dies noch verstärkt. Damit steigt das Risiko, dass sich Erreger im Körper ausbreiten können. Es ist hochinteressant, in der Praxis zu sehen, dass Sportler und Sportlerinnen, die im Herbst und Frühjahr häufiger mit Erkältungserkrankungen kämpfen, fast immer sehr wenig Kohlenhydrate zu sich genommen hatten. Daher lautet mein erster Tipp: Wer anfällig für Erkältungen ist, sollte zuerst die Kohlenhydrataufnahme vor und im Training überprüfen und diese ggf. sinnvoll erhöhen.
Ergänzend empfehle ich Probiotika, denn sie unterstützen die natürliche Darmflora, das Mikrobiom. Ein gesundes Mikrobiom ist für den Körper ausgesprochen nützlich: Die Darmbakterien helfen bei der Verwertung von Nahrungsbestandteilen und verhindern, dass sich Krankheitserreger im Darm ausbreiten können, und tragen zum normalen Funktionieren unseres Immunsystems bei.
Jenseits der Ernährung ist die Einhaltung der AHA-Regeln sehr wichtig. Wie wirksam diese sind, hat das Frühjahr 2021 gezeigt: Nach den Berichten der Krankenkassen gab es kaum Fehltage wegen Erkältungserkrankungen im ersten Halbjahr 2021.
Über Frau Dr. Osterkamp-Baerens
Die promovierte Diplom-Oecotrophologin war von 2003 bis 2021 für die Leistungssportler und -sportlerinnen des Olympiastützpunkts Bayern Ansprechpartnerin für alle Ernährungsfragen. In ihrer eigenen Ernährungspraxis in Ottobrunn berät Dr. Claudia Osterkamp-Baerens zu ihren Schwerpunktthemen Ernährung und Sport sowie gesunde Schulverpflegung.
Buchempfehlung:
„Hans Sarpei‘s Fußballküche“ von Dr. Claudia Osterkamp-Baerens und Peter Feierabend.
Mehr dazu unter: https://topathleat.de/hurra-unser-mega-buch-projekt-ist-fertig/

- BzgA: Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung. Sonderheft 03: Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung. S. 27 f. Unter: https://www.bzga.de/infomaterialien/fachpublikationen/sonderheft-03-nationale-empfehlungen-fuer-bewegung-und-bewegungsfoerderung/