“Probiotics: Living drugs – A solution with many benefits”
Probiotika können laut Prof. Dr. Stephan C. Bischoff von der Universität Hohenheim die Zusammensetzung der Darmmikrobiota positiv beeinflussen und die Barrierefunktion des Darms stärken. Neben ihrer entzündungshemmenden Wirkung hätten sie zudem einen unterstützenden Effekt auf das Immunsystem. Bischoff erklärte in seinem Vortrag, dass sich zunehmend herauskristallisiere, dass das Darmmikrobiom bei der Entstehung vieler Erkrankungen eine Rolle spiele. Neuesten Erkenntnissen zur Folge könne eine Dysbiose, also eine Störung der Darmmikrobiota, zu einem „durchlässigen“ Darm führen, was wiederum Entzündungen verursachen könne. „Diese können dann nicht nur zu Magen-Darm-Erkrankungen wie einer chronischen Darmentzündung und dem Reizdarmsyndrom führen, sondern auch Infektionen der Atemwege, Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes, Arthritis und sogar Störungen des zentralen Nervensystems mit der Folge von Alzheimer und Parkinson begünstigen“, führte Bischoff weiter aus. Im Rahmen seines Vortrags nannte Prof. Bischoff außerdem verschiedene Indikationen, bei denen die positive Wirkung von Probiotika bereits gut belegt ist. (1, 2, 3) In der S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom seien beispielsweise definierte Bakterienstämme aufgeführt, denen mindestens eine randomisierte klinische Studie zu Grunde liegt. (4)
Parkinson-Erkrankung durch Veränderung der Darmmikrobiota?
Frau Prof. Aletta Kraneveld von der Universität Utrecht erklärte, dass Parkinson nicht nur zu motorischen Beeinträchtigungen führe. Auch Magen-Darm-Probleme wie Verstopfung seien gängige Folgen. „Die Magen-Darm-Probleme können schon Jahre vor der Parkinson-Diagnose beginnen“, so Kraneveld. Sie erläuterte dies deute aus ihrer Sicht auf eine Rolle der Darm-Hirn-Achse bei der Entstehung von Parkinson hin. Erst vor kurzem wurden zwei Formen von Parkinson entdeckt: Neben der, die im Gehirn beginnt, gäbe es eine zweite, die im Darm ausgelöst würde. Die letztere Form gehe mit Veränderungen der Darmmikrobiota, einem durchlässigen Darm, Entzündungen der Darmschleimhaut und Magen-Darm-Problemen einher. Diese neuen Erkenntnisse böten laut Kraneveld Entwicklungsmöglichkeiten für neue Behandlungsoptionen, die die Darm-Hirn-Achse fokussieren. (5, 6, 7) Eine Humanstudie in China untersuchte zum Beispiel die Wirkung von Fäkaltransplantaten bei Parkinson Erkrankten und ergab eine Verbesserung der motorischen als auch gastrointestinalen Symptome. (8)
Veränderung und Störfaktoren der Mikrobiota im Laufe des Lebens
Die Forschungsgruppe um Prof. Gaspar Pérez Martínez von der Universität Valencia beschäftigt sich mit den Veränderungen der Darmmikrobiota in unterschiedlichen Lebensphasen sowie mit den Störfaktoren, die eine gesunde Mikrobiota nachhaltig beeinflussen können. In seinem Vortrag führte Martinez aus, dass die mikrobielle Besiedelung mit der Geburt beginne und die Darmmikrobiota im Säuglingsalter sowie in den ersten Lebensphasen großen Einflüssen ausgesetzt sei. Dann würden Bakterien, die aus der Milch, von Familienmitgliedern und aus der Umgebung stammen, einen direkten Einfluss auf die Entwicklung des Immunsystems haben und dieses trainieren. In den darauffolgenden Jahren wären die mikrobiellen Populationen im Darm bis zum Erwachsenenalter mehr oder weniger stabil. Als wichtigste Einflussfaktoren für die Darmmikrobiota nannte Martínez unter anderem das Alter, Ernährung, Bewegung sowie Krankheit und wiederholte Antibiotika-Einnahmen. Letztere hätten insbesondere im Kindesalter starke Störungen der Darmbakterien zur Folge und könnten die Mikrobiota lebenslang beeinflussen. (9) Diese Erkenntnis bestätigte auch Prof. Christophe Lacroix von der ETH in Zürich in seinem Vortrag zur Entwicklung der Säuglings-Mikrobiota. Zudem führte er den Entbindungsmodus, das Gestationsalter, die Genetik des Wirts sowie das Ernährungsschema als wichtigste Faktoren an, die die Entwicklung des kindlichen Darmmikrobiota nachhaltig beeinflussen. Die Muttermilch liefere das optimale „Starter-Kit“ für den Aufbau der Darmmikrobiota. Trotz der Vielfalt an Bakterien in der Muttermilch sei ihr Einfluss auf die Etablierung der Neugeborenen-Mikrobiota, die Darmreifung, die Entwicklung der Immunität sowie die Auswirkungen auf den späteren Gesundheitszustand jedoch noch weitgehend unbekannt. Dennoch stellte Lacroix fest, dass die gesunde Darmmikrobiota eines Säuglings in den ersten beiden Lebensjahren sehr flexibel wäre und daher das Potenzial böte, über diätetische Faktoren in deren Entwicklung einzugreifen und sie entsprechend zu modellieren, um eine langanhaltende Gesundheit zu erreichen. (10, 11, 12)