Meditation und Mikrobiota: Wie Stressreduktion zu mehr Wohlbefinden führen kann
Der Bauch gilt in Asien als Sitz der Seele und der Gesundheit. „Kencho Choju“ – ein gesunder Darm als Grundlage für ein gesundes, langes Leben – das hatte auch der japanische Probiotika-Pionier Dr. Minoru Shirota erkannt und gründete das Unternehmen Yakult mit dem Ziel, die Gesundheit der Menschen auf der ganzen Welt zu verbessern. Tatsächlich zählen die Japaner zu den Nationen mit der höchsten Lebenserwartung. Ob Zazen, Ikigai oder Hara – viele traditionelle japanische Praktiken und Gewohnheiten helfen dabei, Stress abzubauen und ein zufriedenes Leben zu führen. Der Frage, ob und wie sich dies wissenschaftlich begründen lässt, sind wir in diesem Blog-Beitrag nachgegangen.
Zazen: Meditation macht glücklich
Diese Art der Besinnung, des Abschaltens, steht im Mittelpunkt des Zen-Buddhismus, der vor allem in Japan praktiziert wird. „Zazen“ bedeutet so viel wie sitzende Meditation. Über die Atmung wird versucht, die Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt zu lenken, ganz befreit von aktuellen Gedanken, Verhaltensmustern und Gefühlen. Dadurch kann Zazen dabei helfen, eine kurze Auszeit zu nehmen, um zum Beispiel trübe Gedanken vorbeiziehen zu lassen und im Anschluss sowohl ruhiger als auch fokussierter auf Geschehnisse blicken zu können. Meditation sorgt nicht nur für innere Ruhe – durch die tiefe Atmung wird auch die Durchblutung gefördert, der Blutdruck gesenkt und die Ausschüttung von Stresshormonen reduziert. (1) Dieser Effekt kann auch bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen und zur Reduzierung von stressbedingten Beschwerden eingesetzt werden.
Einfluss von Meditation auf Stress und Mikrobiota
Weltweit sind mehr als 25 Prozent der Menschen von Angststörungen und Depression betroffen. In der Therapie gewinnt Meditation als Behandlungsmethode immer mehr an Bedeutung und Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen untersuchen ihre Wirksamkeit bei psychologischen und physiologischen Beschwerden. Ein Review von Househam et al. (2017) skizziert ein Modell physiologischer Prozesse, das den Einsatz von Meditation in der Behandlung verschiedener Erkrankungen unterstützt und die Rolle der Darmmikrobiota bei der Steigerung des Wohlbefindens durch Meditation untersucht.
Eine umfassende Literaturrecherche wurde durchgeführt, um den Zusammenhang zwischen Stressmanagement-Techniken und der menschlichen Mikrobiota zu überprüfen. In ihrer Zusammenfassung kommen sie zu dem Schluss, dass psychischer Stress typischerweise zu einer Kampf-oder-Flucht-Reaktion führt, die die Produktion von Corticotropin-Releasing-Hormon und Katecholamin in verschiedenen Teilen des Körpers auslöst, was letztendlich die Mikrobiota stört. Eine gesunde Mikrobiota produziert kurzkettige Fettsäuren, die entzündungshemmend und antitumoral wirken. Bei Stress beeinflusst eine veränderte Population der Mikrobiota die Regulierung von Neurotransmittern, die durch das Mikrobiom und die Darmbarrierefunktion vermittelt werden. Meditation hilft, die Stressreaktion zu regulieren, wodurch chronische Entzündungszustände verhindert und eine gesunde Darmbarrierefunktion erhalten werden. Das Forschungsteam empfiehlt daher die Aufnahme von Meditation in konventionelle Gesundheits- und Wellnessmodelle. (2)
Einfluss von L. casei Shirota (LcS) auf Stress und Mikrobiota
Das komplexe System der Darm-Hirn-Achse und der Zusammenhang zwischen Stress, Immunsystem und Mikrobiota rücken in der Wissenschaft immer weiter in den Vordergrund. Eine doppelblinde, placebokontrollierte Studie von Takada et al. (2016) untersucht die Auswirkungen von LcS auf die Interaktion zwischen Darm und Gehirn bei gesunden Medizinstudenten und- studentinnen im Prüfungsstress. Die Ergebnisse zeigten, dass der stressinduzierte Anstieg des Cortisolspiegels bei der LcS-Gruppe deutlich niedriger war als in der Placebo-Gruppe. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass LcS eine Hypersekretion von Cortisol und so körperliche Symptome unter Stressbedingungen verhindern oder zumindest reduzieren kann. (3)
Eine Kombination aus Meditation und dem Aufbau einer gesunden Mikrobiota durch Probiotika kann zur Stressverminderung beitragen und so das Wohlbefinden steigern.
Ikigai: Der Schlüssel zu Glück und Gesundheit
Ikigai ist eine vielschichtige und inspirierende japanische Lebenskunst mit langer Tradition. Erstmalig wurde sie im 14. Jahrhundert in einem japanischen Epos erwähnt und hat sich über die Jahrzehnte immer weiterentwickelt.
Ikigai bedeutet übersetzt so viel wie Lebenssinn oder -grund und soll, neben anderen Säulen wie Ernährung oder Bewegung, mitverantwortlich für die Langlebigkeit der Japaner*innen und vor allem der Menschen auf der Insel Okinawa sein. Hier ist die traditionelle Lebensphilos ophie mit einem starken Gemeinschafts-gefühl verknüpft. Die Menschen gehören einer über viele Jahrzehnte gewachsenen Gruppe an, auf die sie sich stets verlassen können und deren Mitglieder sich gegenseitig unterstützen. Das führt zu einem Gefühl der Zugehörigkeit, das extrem sinnstiftend ist.
Das eigene Tun dient also nicht nur dem Selbstzweck, sondern leistet einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft.Wer sich regelmäßig an sein Ikigai erinnert, ist ausgeglichener und startet motivierter in den Tag.
- Anderson et al.: Blood Pressure Response to Transcendental Meditation: A Meta-analysis. American Journal of Hypertension, Volume 21, Issue 3, March 2008, Pages 310–316, https://doi.org/10.1038/ajh.2007.65
- Househam AM et al.: The Effects of Stress and Meditation on the Immune System, Human Microbiota, and Epigenetics. Adv Mind Body Med. 2017 Fall;31(4):10-25. PMID: 29306937.
- Takada M. et al.: Probiotic Lactobacillus casei strain Shirota relieves stress-associated symptoms by modulating the gut–brain interaction in human and animal models. Neurogastroenterol Motil (2016) 28, 1027–1036